Weberei und Strickwarenfabrik Fürst und Hausner

   
Die Textilfabrik Fürst und Hausnerwurdeim Mai 1920 gemäß der Registrierung des Betriebsvermögens jüdischer Unternehmen gegründet. Die Geschichte des Gebäudes selbst ist jedoch älter. Im Jahr 1883 entwarf der Baumeister Franz Lang Pläne für den Umbau eines älteren zweistöckigen Gebäudes, bei dem es sich wahrscheinlich um ein Heilbad handelte. Wilhemine Deppe ließ das Erdgeschoss in Wohnräume mit eigenen Öfen aufteilen. Neun weitere Wohnräume entstanden im Obergeschoss. Der Geschäftsplan war wohl nicht von Erfolg gekrönt, denn bereits 1890 entwarf der Iglauer Baumeister Ignac Lang eine Adaption des Gebäudes für den Prager Fabrikanten Alfred Epstein (1846 Prag – 1919 Wien). Das Gebäude wurde damit erstmals für die textile Nutzung angepasst. Im Erdgeschoss befanden sich die Weberei, Garnlager, Spulenraum, Pressenraum, Veredelungsraum oder Fertigwarenlager. Im Süden des ursprünglichen Gebäudes entwarf Lang eine Doppeltreppe ohne Podest. Im ersten Stockwerk befanden sich eine große Halle, die als Werkstatt diente und etwa 300 m2 groß war, sowie eine Wohnung mit der Wohnfläche von etwa 150 m2. Im Produktionsteil waren alle Stockwerke durch eine gusseiserne Wendeltreppe verbunden. Eine Querschnittszeichnung des Fabrikgebäudes von 1890 zeigt das Gebäude als zweistöckig und mit einem Satteldach versehen. Im folgenden Jahr 1891 entwarf Ignac Lang Pläne für einen Erweiterungsbau im Innenhof der Fabrik. Es handelte sich um einen Stall, Becken und Kesselhaus mit einem neuen Kessel für den Antrieb der Maschinen. Im Jahr 1892 wurde im wämegedämmten Dachgeschoss eine Halle für die Weberei mit 26 Webstühlen und sieben Gauben auf beiden Seiten entworfen. Hier mündete auch die Wendeltreppe vom Erdgeschoss. Aus den deutschen Plänen von Ignac Lang geht hervor, dass der Fabrikant Alfred Epstein auch das Nachbargrundstück für ein Familienhaus besaß. Epstein und seine Frau Rosina (geborene Bettelheim, 1850 Bratislava – 1890 Iglau) hatten insgesamt vier in Wien geborene Söhne, wobei die beiden jüngsten Zwillinge waren. Wahrscheinlich hat nur ein Sohn, Paul Epstein (21. Juli 1875 Wien – 1943 Theresienstadt), das Erwachsenenalter erreicht, der jedoch aus dem Konzentrationslager nicht zurückkehrte.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Fabrik von neuen Eigentümern – den Geschäftspartnern Fürst und Hausner – erworben, die hier eine Weberei und Strickwarenfabrik namens Istra betrieben. Die Besitzer Ferdinand Hausner (1883–1957) und Josef Fürst (nicht bekannt – 1927) hatten ein Werk auch in Wien und spezialisierten sich wie die Iglauer Fabrik auf modische Strick- und Chenille-Waren, hauptsächlich im Pariser und Wiener Stil. Die Pläne für den Umbau sind nicht erhalten geblieben, es existiert jedoch der Briefwechsel über die Webstühle mit Josef Vítek, einem Fabrikanten und Großhändler in Postřelmov. Nach dem Tod von Josef Fürst 1927 wurde Siegfried Bloch der neue Geschäftspartner. Ende der 20-er Jahre wurde das Fabrikgebäude um zwei Stockwerke aufgestockt und mit großen Fenstern im Industriestil versehen.

Das Aufstocken ist in dem Amateurfilm von Walter Hausner (1914–2003), dem Sohn von Ferdinand Hausner und Wilhelmina Bloch zu sehen, einem Mitglied des Klubs der Kinoamateure Österreichs. Um das Filmerbe zu bewahren, wurden die Filmrollen zusammen mit anderen Familiensachen auf der Flucht vor den Nazis in Textilkisten hinausgeschmuggelt. Wilhelmina Bloch erlebte dies nicht mehr, da sie 1937 einem Krebsleiden erlag. Ferdinand Hausner und sein Sohn Walter verließen Wien mit dem Flugzeug im März 1938, kurz vor dem Anschluss Österreichs. Um aus Österreich herauszukommen, heiratete Ferdinand seine Freundin und Modedesignerin Claire Rennai, die ein Visum für die Vereinigten Staaten hatte. Walter hingegen reiste nach England mit dem Plan, eine weitere Fabrik für das Textilunternehmen der Familie zu gründen, wurde jedoch als feindlicher Ausländer interniert. Später, als Walter in der britischen Armee diente, lernte er die Sängerin Irene Jones (1921 London – Dezember 2014 Oxford, USA) kennen, die für Soldaten auftrat. Sie heirateten, wanderten 1948 nach Amerika aus und ließen sich in der Nähe von New York nieder. Der Geschäftspartner Siegfried Bloch starb 1941 im Konzentrationslager Buchenwald, während seine Frau Irma in Prag überlebte.

Im Jahr 1939 beschäftigte die Fabrik noch 150 Arbeiter (8 Deutsche, 68 Tschechen und 1 Juden) mit einem Umsatz von 4.368.365 und einem Gewinn von 391.061 Kronen. Im Jahr 1940 wurde die Fabrik Istra von Edmund Steinhauer, Emanuel Massni a spol. arisiert, die Produktion konzentrierte sich weiterhin auf Strick-, Mode-, Chenillewaren und Schals. Steinhauser und Massni verloren die Fabrik 1946 und bereits im Januar 1947 wurden Pläne für den Ausbau eines neuen Aufzugs, ein Kesselhaus und Duschen ausgearbeitet. Das Wasser floss noch immer durch einen Mühlgraben vor der Fabrik. Der private Besitz des Unternehmens endete 1948 mit dessen Verstaatlichung und der Eingliederung in das staatliche Unternehmen Pletařské závody Jihlava. Bei neuen Umbauten der Fabrik in ein Lagerhaus von 1961 wurde der Mühlgraben nicht mehr erwähnt, er verschwand wahrscheinlich mit dem Abriss der Höck-Mühle. Die Fabrik wurde anschließend von der nahe gelegenen Firma Bytex genutzt und etwa 2014 zu Wohnungen und Büros umgebaut.

FK
Literatur und sonstige Quellen 

Weitere Objekte auf dem Lernpfad