Jüdischer Friedhof mit Trauerhalle

   
Zu Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war es für die hiesige jüdische Gemeinde wichtig, endlich eine anständige Synagoge zu haben und gleichzeitig einen angemessenen Friedhof in der Nähe der Stadt anzulegen. Es ist kein Wunder, 1861 lebten in der Stadt, einschließlich der Vorstädte, bereits 614 Juden. Bis zu diesem Zeitpunkt diente ihnen hauptsächlich der jüdische Friedhof im nahe gelegenen Dorf Puklice. Den Ausbau des jüdischen Friedhofs in Iglau veranlassten in den Jahren 1867–1868 Rabbiner PhDr. Joachim Jakob Unger und der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Iglau, Leopold Schnürmann. Die letzte Sitzung fand am 3. 4. 1868 in Anwesenheit von Vertretern der Stadt, der Jüdischen Gemeinde von Iglau und des Besitzers des Grundstücks im Vorort Panenské předměstí, Franz Gottfried Czap.

Zu den wertvollsten Dokumenten zum Friedhof gehören dessen Skizze und der Plan der ersten Trauerhalle, die 1868 von Eduard Rathauský, einem Baumeister aus Iglau, entworfen und gebaut wurde. Er war Mitautor der Pläne für die Synagoge von Iglau und Autor vieler bedeutender Gebäude und Wohnhäuser. Der Plan der ersten Trauerhalle stellt sie als einfaches klassizistisches Gebäude dar. Durch die Mitte des Gebäudes verlief ein Korridor, der Durchgang zum Friedhof ermöglichte, auf der rechten Seite befand sich ein Raum für Hinterbliebene und Trauergäste, auf der gegenüberliegenden Seite die Totenkammer. Das Gebäude hatte einen Grundriss von etwa 15,5 x 9 Metern und eine Höhe von etwa 7 Metern. Die feierliche Eröffnung des Friedhofs fand 1869 statt, ein Jahr bevor die Beerdigungsbruderschaft Chewra Kadischa in Iglau gegründet wurde. Die erste Beerdigung fand am 20. Dezember 1870 statt. Die Stele mit dem Namen Rosalie Schulhof, gebürtig aus Jemnice, Witwe und Kauffrau, die im Alter von 32 Jahren starb, befindet sich im südwestlichen Zipfel am Ende des Friedhofs.

Der radikale Umbau der Trauerhalle erfolgte gleich zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Dank der erhaltenen Projektdokumentation haben wir heute die Möglichkeit, zwei Entwürfe zu betrachten: das nicht realisierte Projekt des Iglauer Baumeisters Ignaz Lang (1845–1927), dessen Baufirma eine bedeutende Stellung in der Stadt einnahm, und das realisierte Projekt des Wiener Architekten Wilhelm Stiassny (1842–1910), für dessen originellen Entwurf der Trauerhalle sich die hiesige jüdische Gemeinde schließlich entschied.

Der Architekt Wilhelm Stiassny, k. k. Baurat, war damals in Wien I, Krugerstraße 8 wohnhaft, wo er auch sein Atelier hatte. Die Pläne tragen das Datum 12. Mai 1903 und die Überschrift „Ceremonienhalle am Israel Friedhofe in Iglau“. Stiassny platzierte die eigentliche Trauerhalle in der Mitte des erhöhten Gebäudes und baute zwei niedrige Anbauten an den Seiten. In den rechten Anbau platzierte er die Wohnung des Totengräbers und auf die gegenüberliegenden Seite installierte er die Totenkammer und den Warteraum. Das gesamte prachtvolle pseudoromanische Gebäude mit einer Reihe historisierender Elementen war 34,5 m lang, 10,5 m breit und etwa 14 m hoch. Die erhaltenen Baupläne erlauben es, auch das Innere der 14,5×8,5 Meter großen Trauerhalle teilweise zu rekonstruieren.

In der deutschen Zeitung Mährischer Grenzbotewurde die gesamte feierliche Zeremonie der Eröffnung der Trauerhalle am 20. Dezember 1904 ausführlich beschrieben. Der Artikel betonte, dass der Bau in den Sommermonaten des Jahres 1904 nach den Plänen des Wiener Baurats Stiassny durchgeführt wurde. Anlässlich der Feierlichkeiten erhielt sie eine wunderschöne Blumendekoration. Kurz vor Beginn des feierlichen Akts füllte sich die Halle mit einer Reihe von hochrangigen Gästen. Es folgten Reden, die an die Bedeutung des Totengedenkens erinnerten und dem Baustadtrat Stiassny und seinem Chefarchitekten Reiss, dem Iglauer Baumeister Ignaz Lang sowie der Stadt Iglau, deren Bauamt den gesamten Bau von Anfang an unterstützt hatte, dankten. Zum Schluss bedankte sich bei allen im Namen der Beerdigungsbruderschaft Chewra Kadischa ihr Vorsitzender Wilhelm Öesterreicher, und übergab die Trauerhalle in den Besitz der Jüdische Gemeinde von Iglau. Der eigentliche Akt der Weihe wurde vom Iglauer Rabbiner PhDr. Joachim Jakob Unger (1826–1912) durchgeführt. Ein kleines und einziges erhaltenes Foto der Front dieses Gebäudes wurde 1929 von Hugo Gold veröffentlicht.

In der Nacht vom 7. auf den 8. April 1939 setzten antijüdische Fanatiker den zentralen Teil des Gebäudes, die eigentliche Trauerhalle, in Brand. Eine Ansicht ihrer beschädigten Fassade, aufgenommen von einem unbekannten Wehrmachtssoldaten, der an der Besetzung von Iglau im April 1939 teilnahm, wurde Ende des 20. Jahrhunderts im Internet veröffentlicht.

In den Jahren 1939–1942 fanden schwierige Verhandlungen zwischen der Jüdischen Gemeinde von Iglau und der Stadt über den zentralen, ausgebrannten Teil des Gebäudes statt. Das Ergebnis der Verhandlungen war schließlich der Abriss der Halle. Die Protektoratsbehörden beschlossen, an ihrer Stelle eine einfache Mauer zu bauen. Die Abriss- und Bauarbeiten wurden von dem Verband deutscher Bauunternehmen in Iglau durchgeführt. Von der Halle sind bisher zwei niedrige Seitengebäude erhalten geblieben, die in späteren Jahren als „Häuser“bezeichnet wurden. Eines davon wurde angeblich als Lager genutzt, das andere, die ehemalige Wohnung des Totengräbers, wurde in den Jahren 1941–1945 von einer deutschen Familie für eine Jahresmiete von 600 Kronen bewohnt.

Die Jüdische Kultusgemeinde Jihlava kaufte eine weitere große Parzelle neben dem bestehenden jüdischen Friedhof. Sie wollte damit möglichen Problemen in der Zukunft vorbeugen, die mit dem Mangel an Beerdigungsplätzen zusammenhingen. Dabei wurde berücksichtigt, dass die hiesige Gemeinde etwa 1.500 Gemeindemitglieder hatte und zusammen mit der Umgebung fast 2.000 Mitglieder zählte. Nach der Befreiung 1945 kam es zu neuen langwierigen Verhandlungen. Der Protektoratsvertrag wurde für nichtig erklärt und aufgehoben, da er unter Zwang zustande gekommen war. Anstelle der Rückgabe des gesamten Eigentums der Jüdischen Kultusgemeinde Iglau wurde ein Vergleich vereinbart. Der kleinere Teil der Parzelle wurde der Stadt überlassen, der größere Teil mit einer Fläche von 34.215 Quadratmetern wurde von der Stadt als Wiese für 684.300 Kronen erworben. Auf den erworbenen Parzellen erwog die Stadtverwaltung den Bau eines Sportplatzes und einer Turnhalle, errichtete jedoch schließlich das Gelände des Gesundheitshauses, an das heute Gebäude des neu errichteten Krankenhauses anschließen.

Der heutige jüdische Friedhof hat eine ausreichende Fläche von 8 879 m2. Nur dank der Unantastbarkeit der alten Teile des Friedhofs und ihrer Vermischung mit den neuen Teilen konnte der Friedhof seine einzigartige und faszinierende Atmosphäre des Friedens und der Ruhe bewahren, trotz der Belegung des ersten Teils mit den Kindergräbern, der 1966 der neu gebauten Straße U Cvičiště weichen musste.

Heute bildet ein schmiedeeisernes Tor mit dem Motiv eines Kerzenleuchters einen wesentlichen Teil der Fassade. Im linken Teil des Friedhofs befindet sich eine neue Trauerhalle, die 1969 gebaut wurde. Sie wurde von Milena Kubíková-Veselá aus Iglau entworfen. Im Inneren der schlichten Halle, die weit von der Bedeutung dieses Ortes entfernt ist, wurden drei Marmorplatten installiert, die das einzige traurige Überbleibsel der ursprünglichen Trauerhalle von Stiassny sind. Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich ein Denkmal für alle Holocaust-Opfer aus Iglau und Umgebung, das am 7. 5. 1995 feierlich enthüllt wurde. Insgesamt wurden 1.379 Menschen auf dem Friedhof beigesetzt, darunter 126 Kinder. Hier ruhen Bernhard und Marie Mahler, die Eltern des Musikgenies Gustav Mahler sowie seine fünf Geschwister. Eine weitere hier beerdigte Person ist Jacob Sommer, Vater von JUDr. Ernst, des Rechtsanwalts, Redakteurs und bekannten deutschen Schriftstellers. Nicht zu vergessen sind Elsa Eisler, Mutter von Sohn Martin, einem bekannten Architekten in Buenos Aires, Betina Fürnberg, Mutter von Sohn Louis, einem bedeutenden deutschen Dichter, Dramatiker und Diplomaten und Natan Tandler, Vater von MUDr. Julius, einem prominenten Anatomen und Politiker, der vor den Nazis nach Moskau floh, wo er starb. Erinnert werden soll auch an das Grab von Jacob Hilsner, dem Vater von Leopold, der die zentrale Figur in der so genannten Hilsneriade war, die ganz Europa erschütterte.

LV
Literatur und sonstige Quellen 

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