Jüdischer Pfad – die Geschichte der Juden in Iglau

   
Eine wichtige Straße auf unserem Gebiet war die Straße Haberská, die Prag mit Wien verband. Sie führte durch die Böhmisch-Mährische Höhe (Českomoravská vysočina) über eine Furt am Fluss Jihlava, wo an der Anhöhe an ihrem linken Ufer am Anfang des 13. Jahrhunderts die slawische Siedlung Jihlava mit der kleinen Kirche St. Johannes der Täufer stand. Dank der Entdeckung von Silberlagerstätten in der Umgebung kam es zur deutschen Kolonisation des Gebiets und vor der Mitte des 13. Jahrhunderts zum Bau der königlichen Bergstadt Iglau oberhalb des rechten Ufers des gleichnamigen Flusses. Zweifellos entging die Stadt nicht der Aufmerksamkeit der jüdischen Kaufleute und Händler, die sich hier nicht nur kurzzeitig aufhielten, sondern auch niederließen und regen Handel trieben. König Přemysl Otakar II. ermöglichte dies den Juden durch das Ausnahmegesetz Statuta Judeorumvon 1262 und der mährische Markgraf Karl durch eine Urkunde von 1345, die den Einwohnern in Iglau befahl, alle Juden, insbesondere die aus Brünn, in der Stadt aufzunehmen. Sie ließen sich in der Platea Judeorum nieder, der Straße Židovská, wo sie eine Synagoge, Schule, Badehaus und ihre eigenen Häuser bauten. Ein tragischer Moment war der große Stadtbrand im Mai 1353, bei dem die Flammen alle Schriftstücke der Stadt vernichteten, einschließlich der Stadtbücher und der Aufzeichnungen über die hiesige jüdische Gemeinde und ihre Einwohner, wovon hier um die hundert lebten und Handel trieben. Das Ende der hiesigen jüdischen Kommunität wurde durch den mährischen Markgrafen Albrecht herbeigeführt, der Anfang 1425 alle Juden aus der Stadt vertreiben ließ, weil sie angeblich mit den ketzerischen Hussiten kollaborierten. Die Juden flüchteten sich in die umliegenden Dörfer und Untertanenstädte. Sie sind in Puklice, Trhová Brtnice, Střítež, Větrný Jeníkov, Úsobí, Třešť, Batelov oder Telč zu finden.

Die Häuser in der Straße Židovská wurden von den Katholiken erworben und die Synagoge sollte zur Kapelle des Fronleichnams, Allerheiligen und der 10 000 Märtyrer werden, was 1427 von Papst Martin V. urkundlich bestätigt wurde. Die Kapelle wurde jedoch erst 1511 umgebaut und eingeweiht, und zwar dank des Iglauer Bürgers Merbot, der neben der Kapelle auch ein Krankenhaus errichtete. Später wurde die Kapelle von Protestanten entweiht und als Schatzkammer genutzt. Im 19. Jahrhundert wurde sie zu einem Pferdestall für die Pferde des nahe gelegenen Gasthauses, das bereits im 14. Jahrhundert jüdischen Reisenden diente. Im Jahr 1870 wurde der Eckteil der ehemaligen Synagoge abgerissen und auf dem frei gewordenen Grundstück ließ der jüdische Großkaufmann und Oberrat Franz Müller ein luxuriöses zweistöckiges Restaurant mit einer Wohnung bauen. Der verbleibende Teil der ehemaligen Synagoge wurde als Wohnhaus genutzt. In den 60-er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden die Gebäude auf dieser Fläche abgerissen, einschließlich des größten Teils der Straße Židovská.

Die in der Umgebung von Iglau lebenden Juden waren nicht nur an ihrem Wohnort unternehmerisch tätig. Ab dem 16. Jahrhundert besuchten Hausierer aus Třešť, Batelov und Úsobí das hiesige Stadtgebiet. Nach der schwedischen Besetzung von Iglau liefen jüdische Kaufleute sogar öffentlich in der Stadt herum, worüber sich der Stadtrat 1648 beschwerte. In den Jahren 1708 bis 1782 mussten Juden für den Besuch der Stadt Iglau eine Mautgebühr von 15, später 17 Kreuzern entrichten. Der Hausierhandel war für sie verboten. Ausnahme war der Verkauf auf den Jahresmärkten. Sie mussten die Stadt einzeln betreten, und zwar ausschließlich durch das Muttergottestor, wo von ihnen eine Mautgebühr erhoben wurde. Sie durften sich also hier nicht lange aufhalten und mussten vor der Stadt übernachten. Dazu diente das Taubenkobelswirthshaus Holubník, das 1775 von den Iglauer Mälzern erbaut wurde. Nach 14 Jahren wurde es von Johann Smutny aufgekauft. Er entschied sich nicht nur für eine Aufstockung des Erdgeschosses, sondern auch für die Errichtung eines besonderen Raumes im Erdgeschoss „das Judenzimmer“ mit drei Fenstern zum Hof und einem besonderen Eingang am Ende der Durchfahrt. An Wochentagen diente der Raum als jüdischer Speisesaal, die jüdische Küche befand sich im Nebenraum und hatte einen separaten Eingang vom Garten. Der 8x4 Meter große Raum wurde von Juden an Samstagen und jüdischen Feiertagen als Gebetsraum genutzt. Ein weiteres großes Lokal des Taubenkobelswirthshauses (Holubník) mit einer zweiten Küche war von diesen Bereichen für die Juden getrennt. Die Pläne für das Haus wurden vom Stadtbaumeister Johann Michael Thoma gezeichnet, der den Bau auch ausführte. Zusammen mit dem Nachbarhaus wurde das Haus 1868 abgerissen und durch das Hotel Czap, später Morawetz, Jihlavský dvůr, Deutsches Haus und schließlich Dělnický dům (Arbeiterhaus) ersetzt.

Im Jahr 1780 erhielt der jüdische Kaufmann Nathan Pinkas eine Sondergenehmigung sich in der Stadt niederzulassen, wo er das Hauptlagerhaus für Tabak errichtete. Eine ähnliche Genehmigung erhielten 1795 die Dochthersteller Isaak Kern und Jakob Lichtenstern. Johann Bondy, ein bedeutender jüdischer Kaufmann, gründete 1808 in Iglau eine jüdische Armenstiftung. Sie sollte von armen Menschen aus Třebíč, Velké Meziříčí und Brtnice genutzt werden. Ein Sechstel des Erlöses ging an die Armen in Iglau, wo Bondy am 9. 1. 1809 starb. Nicht unerwähnt bleiben darf das Lateinische Gymnasium von Iglau, das auch von jüdischen Studenten besucht wurde. Im Jahr 1837 lebten in Iglau insgesamt 15.843 Einwohner und nur 17 Juden.

Im Jahr 1848 erhielten die Juden Freizügigkeit und Aufenthaltsrecht und 1867 auch das Staatsbürgerrecht, was die gleichen Rechte wie die anderen Einwohner Böhmens und Mährens bedeutete. Im Jahr 1861 wurde in Iglau der Jüdische Religionsverein Cultusverein gegründet, dessen Vorsitzender Moritz Leopold Baruch wurde, gebürtig aus Třešť. Ein Jahr später wurde der Verein zur Jüdischen Gemeinde, Cultusgemeinde erhoben. Im Jahr 1863 wurde hier die neue Synagoge feierlich eingeweiht. Im Jahr 1864 führte das Iglauer Adressbuch ein lokales Gasthaus mit einer öffentlichen jüdischen Küche zum letzten Mal auf. Zu den Mitgliedern des Ausschusses der jüdischen Gemeinde gehörte der Gastwirt Bernard Mahler, Vater des Musikgenies Gustav Mahler. Ihr erster Rabbiner in den Jahren 1860–1912 wurde PhDr. Joachim Jakob Unger.

Im Jahr 1870 wurde die Beerdigungsbruderschaft Chewra Kadischa gegründet. Zu einem bedeutenden Verein wurde der synagogale Sängerchor Shir Zion. Sehr agil arbeitete der Chanukka-Verein zur Bekleidung armer jüdischer Schulkinder. Ein weiterer solcher Verein war der 1866 gegründete Israelitische Frauenverein, der 175 Mitglieder zählte. Ab 1906 funktionierte der Jüdische Volksverein Theodor Herzl mit Richard Weissenstein als erstem Vorsitzenden. Bereits am Anfang zählte er 102 Mitglieder. Im Jahr 1909 wurde die Jüdisch-akademische Ferialverbindung Hasmonäa mit 23 Mitgliedern und dem studentischen Vorsitzenden Walter Pollak gegründet. Ein weiterer Jugendverein war der 1910 gegründete Makabi, der Iglauer jüdische Turn- und Sportverein, dem der Tennisplatz am heutigen Platz Štefánikovo náměstí gehörte und der gleichzeitig eine Fußball- und Athletikmannschaft hatte. Im Mai 1919 wurde der Verein tschechischer Juden für die Böhmisch-Mährische Höhe unter der Leitung von JUDr. Alois Feigl gegründet, Rechtsanwalt mit Sitz in Iglau. Der Verein zählte 95 Mitglieder aus Iglau und mehr als 200 aus dem gesamten Hochland. 1. 11. 1919 berief dieser Verein die erste Landesweite tschechisch-jüdische Versammlung in Prag ein. Direkt in Iglau gelang es ihr, jüdische Kinder in tschechische Schulen zu schicken, einschließlich des Gymnasiums. Auch die Vortragstätigkeit des Vereins war verdienstvoll und reichhaltig. Im Jahr 1921 wurde in Iglau der Verein jüdischer Pfadfinder Techeleth Lavau tätig, der von MUDr. Sigmund Werner, Zahnarzt und Allgemeinarzt, gegründet wurde.

Im Zusammenhang mit der Neuorganisation der Jüdischen Gemeinde in Mähren 1895 breitete sich die Iglauer Gemeinde auf den gesamten Gerichtsbezirk Iglau aus, also auf 31 Gemeinden einschließlich Iglau. Im Jahr 1900 waren registriert 1.468 Juden in Iglau, 27 in Dřevěné Mlýny, 9 in Handlovy Dvory, 9 in Hosov, 6 in Hruškové Dvory, 5 in Jamné, 3 in Kostelec u Jihlavy, 5 in Kozlov, 16 in Puklice, 29 in Velký Beranov und 4 in Vysoké Studnice.

Während des Ersten Weltkriegs kamen 33 Juden aus Iglau ums Leben, deren Namen auf einer Gedenktafel auf dem örtlichen jüdischen Friedhof verzeichnet sind. Im Jahr 1921 wurde die Synagoge saniert und für die Bedürfnisse der hiesigen Jüdischen Religionsgemeinde wurde das Stiftungshaus in der heutigen Straße Benešova 30 umgestaltet, das der Gemeinde das jüdische Ehepaar Jan und Marie Lewit aus Větrný Jeníkov vermachte, Mieter der hiesigen Brennerei und Brauerei. Im ersten Stockwerk des Hauses befanden sich zwei Klubräume, ein Versammlungssaal, in dem der Synagogenchor probte, und ein Wintergebetsraum, im zweiten Stockwerk die Wohnung des Rabbiners.

Nach 1931 änderte sich der Rat der Jüdischen Gemeinde zum letzten Mal. Zum Vorsitzenden wurde der Fabrikant Richard Weissenstein, zum Stellvertreter der Kaufmann JUDr. Otto Seidner, zu den Beisitzenden der Spediteur Karl Bondi, der Rechtsanwalt JUDr. Alois Feigl, der Handelsrat und Direktor der Firma Humanic Karel Kačer, der Kaufmann Berthold Ornstein, zum Schatzmeister JUc. Karel Meisel. Nach dem Ausrufen des Protektorats im März 1939 wurde Meisel zum Vertreter der Juden im gesamten Oberlandrat Iglauernannt und hatte zu diesem Zweck als einziger Zugang zur Gestapo in Iglau, wo eine der Abteilungen für die „Endlösung derJudenfrage“ zuständig war, einschließlich des Transports aller Juden aus Iglau in Gefängnisse und Konzentrationslager. Der neue Sitz der Jüdischen Gemeinde und von JUc. Meisel wurde das Erdgeschoss eines Wohnhauses in der heutigen Straße Palackého 30, das Juden besuchten, um Informationen zu erhalten und verschiedene Wertsachen, darunter Führerscheine und Autoschlüssel abzugeben.

Seit 1939 wurden 538 jüdische Einwohner von Iglau nach Prag abgeschoben. Ihre Wohnungen wurden inventarisiert, von einem Sachverständigen bewertet und die Einrichtung in Lager in Studentský mlýn in Heulos und in das Gebäude der jüdischen Fabrik von Lang in Staré Hory bei Iglau gebracht. In die Lagerhäuser der jüdischen Transportfirma Bondi gerieten kostbare Perserteppiche und Luxusmöbel. In Iglau wurden für die jüdischen Einwohner nur zwei jüdische Geschäfte betrieben, eine Metzgerei in der heutigen Straße Palackého 3 und eine Bäckerei in der Straße Mrštíkova 30. Zu den weiteren Repressionsmaßnahmen gehörten der Verweis von neun jüdischen Ärzten aus dem Krankenhaus und aus ihren Praxen in Iglau sowie der Verweis von 13 Rechtsanwälten und Notaren aus dem gesamten Oberlandrat Iglau. Die meisten von ihnen wurden Arbeiter oder Tagelöhner bei den Aufräumarbeiten in der Stadt. Alle jüdischen Lehrer und Professoren mussten die Schulen verlassen, alle jüdischen Angestellten mussten die Apotheken verlassen, alle jüdischen Geschäfte und Gewerbebetriebe wurden geschlossen und für deren Betrieb setzte die deutsche Verwaltung Personen arischer Herkunft ein, hauptsächlich Deutsche. Ein ähnliches Schicksal erlitten alle jüdischen Fabriken. Einige von ihnen konzentrierten sich damals auf die Kriegsproduktion, wie die Schuhfirma Humanic, die Teile für die V-1- und V-2-Raketen herstellte, die Strickwarenfirma Adam-Seidner, die sich auf die Verpackung von Sprengstoff umstellte, oder die Weberei Lang, in der Flugzeugmotoren repariert wurden. Die jüdischen Einwohner in Iglau mussten alle Ämter verlassen und durften die städtischen Verkehrsmittel, Schwimmbäder, Bäder, Parkanlagen, Sporteinrichtungen, Bibliotheken, Kinos und Theater nicht benutzen. Jüdische Fußgänger durften nicht auf dem Bürgersteig, sondern unter dem Bürgersteig gehen und mussten auf der linken Seite ihrer Kleidung den Davidstern auf gelbem Grund mit der Aufschrift JUDE tragen.

Im Jahr 1869 lebten in Iglau 1.090 jüdische Einwohner, 1880 insgesamt 1.415 Einwohner und 1890 insgesamt 1.897 Einwohner. Im Jahr 1900 gehörten der Jüdischen Cultusgemeinde Iglau 1.468 Mitglieder an. Bei der Volkszählung 1921 wurden in Iglau 1.126 jüdische Einwohner gezählt, von denen 196 die tschechische, 441 die deutsche, 486 die jüdische und 3 die slowakische Nationalität angaben. Im Jahr 1930 lebten in Iglau 1.025 Juden. Am 17. 8. 1940 meldete der Kreisrat Fiechtner dem Reichsprotektor, dass in Iglau 12.477 Deutsche, 17.727 Tschechen und 435 Juden lebten. Zum 30. 9. 1941 blieben laut Registratur nur noch 20 jüdische Einwohner übrig. Von der Stadt Třebíč, wo alle Juden aus der gesamten Region Iglau konzentriert werden mussten, fuhren zwei Transporte nach Theresienstadt ab. 18. 5. 1942 fuhr der A-Transport ab, von dem 678 Menschen in verschiedenen Konzentrationslagern umkamen und nur 42 Menschen die Befreiung erlebten. Am 22. 5. 1942 folgte der Aw-Transport, bei dem 632 Menschen starben und nur 18 überlebten. Mehr als 150 Menschen wurden von der Gestapo direkt in Gefängnisse und Konzentrationslager verschleppt. Die meisten Überlebenden stammten aus gemischten Ehen. Davon mussten die Juden Ende 1944 nach Hagibor in Prag und Anfang 1945 nach Theresienstadt fahren. Ihre nichtjüdischen Lebenspartner wurden in Lagern für Mischlinge interniert und arbeiteten in Fabriken und auf Feldern.

Nach dem Krieg wurden vergebliche Versuche unternommen die Tätigkeit der hiesigen Jüdischen Gemeinde sowie einiger weiteren jüdischen Vereine wieder aufzunehmen. Die erforderliche Anzahl von Anhängern kehrte nach Iglau jedoch nicht zurück. Auf der Grundlage des Bescheids des Ministeriums für Bildung und Aufklärung vom 30. 9. 1946 wurde die Gemeinde Iglau zum einzigen Vertreter der aufgelösten jüdischen Gemeinden in Dačice, Jemnice, Slavonice, Telč, Třešť, Třebíč und Velké Meziříčí. Am 6. 11. 1948 erhielt der Bezirksnationalausschuss in Iglau die Meldung, dass ein gemeinsames Rabbinat für Kolín, Poděbrady, Hradec Králové, Pardubice und Iglau mit Sitz in Kolín und mit dem Rabbiner Dr. Feder entstanden ist. Damals lebten in Iglau nur ein paar Dutzend Menschen jüdischen Glaubens, von denen ein Teil nach 1948 ausreiste bzw. in die ganze Welt auswanderte, vor allem nach Israel. Noch 1951 überwachten der Bezirksnationalausschuss und die Bezirksdirektion der Staatssicherheit die Auflösung der jüdischen Vereine in Havlíčkův Brod, Polná, Humpolec, Pelhřimov, Třešť, Velké Meziříčí, Moravské Budějovice, Žďár nad Sázavou, Třebíč, Nová Cerekev und Ledeč nad Sázavou.

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