Villa mit dem Haus von Otto Adam

   
Der Fabrikant Otto Adam betrieb zusammen mit seinem Schwager Louis Seidner in Iglau das erfolgreiche Strickwarenunternehmen Otto Adam & Louis Seidnerund eine Fabrik in der Straße Havlíčkova 58. Mit seiner Frau Ella, geborene Pollak, zogen sie fünf Söhne auf. Sie wandten sich zunächst an den Teplitzer Architekten Josef Hühnel, der den Entwurf für den Umbau des bestehenden Wohnhauses in ein Familienhaus ausarbeiten sollte. Nach wiederholten Berufungen erhielten sie jedoch keine Baugenehmigung für dieses Vorhaben, da das Haus die vorgesehene Baulinie überschritt. Deshalb ließ Adam 1929 alle Gebäude auf dem Grundstück abreißen und an der Stelle der ehemaligen Gießerei eine ganz neue moderne Villa im puristischen Stil nach dem Entwurf des Wiener Architekten Walter Sobotka errichten.

Sobotka war Absolvent der Technischen Hochschule in Wien, wo er bei Carl König und Max Fabiani studierte. Der Architekturhistoriker Vladimír Šlapeta zählt ihn zu den Schülern des berühmten Wiener Architekten Adolf Loos. Mit der Familie des Baumeisters verband Sobotka die Ehe seiner Schwester Marianne mit dem Bruder von Adams Frau Ella. Er entwarf die Villa in Iglau, die sein einziges bekanntes Bauwerk auf unserem Gebiet ist, einschließlich der Inneneinrichtung und der Aufteilung des Gartens. Er entwarf sie in einfachen prismatischen Volumen und versah sie mit einer einfachen weiß verputzten Fassade. Auf den Flachdächern befanden sich Terrassen mit einfachen Rohrgeländern. Mit der Lösung des Raumes im Erdgeschoss der Villa kam der Architekt dem Loos'schen Konzept des kaskadenähnlichen Raumes, dem so genannten Raumplan sehr nahe, wie wir ihn z.B. von der Prager Müller-Villa von Adolf Loos und Karel Lhota aus den Jahren 1928–1929 kennen: Die einzelnen Wohnzonen, in die der Raum andeutend unterteilt ist, haben unterschiedliche Höhen und sind so stufenartig angeordnet, dass sie zweckmäßig und harmonisch aufeinander aufbauen und sich gleichzeitig nicht gegenseitig stören.

Das Zentrum des zweistöckigen Hauses von Adam bildete eine zentrale Halle mit einem Sitzbereich. Es folgten ein Speisesaal und das Musikzimmer mit einer Glaswand, dann eine Außenterrasse mit Blick auf den Garten. Im Speisesaal dominiert ein großes, doppelt verglastes Fenster in den Garten, das so genannte „bay-window“,dessen innerer Teil abgeschrägte Kanten hatte, während das äußere Fenster eine rechteckige Form behielt. An diesen räumlichen Kern des Hauses schlossen weitere Räume und Teile der Küche mit einem Vorbereitungsraum an. In zwei Stockwerken befanden sich Schlafzimmer, Zimmer für Familienmitglieder und Gästezimmer. Sobotka beschäftigte sich auch intensiv mit dem Wohndesign und wählte für die Inneneinrichtung des Hauses nicht nur Stücke von Lieferanten in Iglau, sondern auch Produkte der bewährten Marke Thonet oder Beleuchtungskörper der Firma Lobmeyr. Die geschmackvolle Einrichtung wurde durch Möbel aus Mahagoni-, Makassar-, Kirsch- und Walnussholz ergänzt. Nach der Fertigstellung der Villa wurde in der Zeitschrift Moderne Bauformenein Artikel darüber veröffentlicht.

Bald nach der Fertigstellung der Villa wurde nach Sobotkas weiterem Entwurf damit begonnen, in der Ecke des Gartens im Anschluss an die bestehende Häuserreihe in der Straße Vrchlického ein Haus mit einer Wohnung für den Hausmeister und einer Garage zu bauen, das die Adresse Vrchlického 10 trägt. Die Familie Adam nutzte es zum Vermieten. Das Gebäude zeichnete sich wiederum durch ein einfaches quaderförmiges Volumen mit einer glatten Fassade und einfach geformten Fensterläden aus. Es wurde jedoch mit einem Walmdach versehen, um die Integrität des Wohnblocks zu wahren. Beide Gebäude von Adam, die Villa sowie das Mietshaus, wurden von dem Iglauer Baumeister und Ingenieur Konrad Weigner realisiert. Otto Adam starb bereits 1934. Adams Familie besaß die Villa und das Haus bis 1939, während des Protektorats waren hier die Gestapo und der SS-Geheimdienst ansässig. Die Familie wurde von den Nazis verfolgt, die älteren Söhne Valter und Helmut wurden 1941 in Brünn hingerichtet, seine Frau Ella und der jüngere Sohn Herbert überlebten die KZ-Haft und emigrierten nach dem Krieg in die Bundesrepublik Deutschland, der Sohn Gottfried nach Kanada. Nach 1945 wurde die Villa zu einem Büro der Staatssicherheit und ab den 60-er Jahren zum Kindergarten der Firma Motorpal. Bei späteren Umbauten verschwand Sobotkas ursprüngliches Raumkonzept, die einzigartig gestalteten Fensteröffnungen, der puristische Charakter der Fassade sowie die hochwertige Innenausstattung. Auch die vorhandenen Fensterfüllungen entsprechen nicht dem ursprünglichen Aussehen des wohl bedeutendsten puristischen Bauwerks in Iglau. Das Haus Nr. 12 mit einem Teil des ursprünglichen Gartens befindet sich im Besitz der Tschechischen Sozialdemokratischen Partei. Das Haus Nr. 10 daneben wird ununterbrochen zu Wohnzwecken genutzt.

JL
Literatur und sonstige Quellen 

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