Wilhelm Stiassny wurde 1842 in Pressburg in eine jüdische, aus Mähren stammende Familie geboren. Als er noch ein Kind war, zog die Familie nach Wien. Von 1857 bis 1861 studierte er Architektur an der Technischen Universität Wien und setzte sein Studium an der Wiener Akademie fort, die er 1866 abgeschlossen hat. Er wurde hier von den prominenten Wiener Architekten Eduard van der Nüll, August Sicard von Sicardsburg, Karl Roesner und Friedrich von Schmidt unterrichtet. Nach dem Studium begann er als selbstständiger Architekt in Wien zu arbeiten. Theoretisch interessierte er sich für die Problematik der Wohnbauten für die untere Klasse, doch paradoxerweise entwarf er hauptsächlich luxuriöse Mietshäuser für das Bürgertum oder Familiensiedlungen für die wichtigsten jüdischen Familien Österreichs. In Wien war er nicht nur als Architekt, sondern auch als Politiker sehr aktiv, und zwar als Mitglied des Wiener Stadtrats. Außerdem unterstützte er aktiv die Ideen des Zionismus. Er war an der Gründung des Jüdischen Museums in Wien beteiligt und erstellte gegen Ende seines Lebens sogar die Grundlagen für den Bau eines Wohnviertels im damals neu gegründeten Tel Aviv, mit dessen Bau allerdings erst nach seinem Tod begonnen wurde.
Neben Wohnhäusern entwarf Stiassny vor allem Synagogen und jüdische Zeremoniesäle, dies im Wesentlichen in der damaligen gesamten Monarchie, vor allem jedoch in Böhmen und Mähren. Nach seinem Projekt wurden Synagogen in Čáslav, Jablonec nad Nisou und Prag sowie Trauerhallen auf den Friedhöfen in Kojetín und Iglau gebaut. Wie bei den Wiener Wohnhäusern, die im Sinne der späten Neorenaissance oder des Neobarocks errichtet wurden, wählte er auch bei den meisten jüdischen Heiligtümern historisierende Architektur. Neben neoromanischen architektonischen Elementen verwendete er auch Motive der maurischen Architektur, mit denen er die orientalischen Ursprünge des Judentums zum Ausdruck bringen wollte. Die meisten von Stiassny entworfenen Synagogen und Trauerhallen, darunter auch die in Iglau, wurden von den Nazis zerstört. Die Pracht seiner orientalischen Architektur beweist als eine der wenigen bis heute zum Beispiel die Jerusalemsynagoge in Prag, deren verzierte Fassade auch Jugendstilelemente enthält.
TŠ
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Architekt
Wilhelm Stiassny -
Geburtsdatum
15. 10. 1842 Pressburg (Bratislava) -
Todesdatum
11. 7. 1910 Bad Ischl
Auswahl weiterer Werke
Rothschildspital, Währinger Gürtel 97, Wien, Österreich, 1870–1874 (abgerissen 1955)
Palast Schwab, Weihburggasse 30, Wien, Österreich, 1871–1872
Mietshäuser Königswarter, Rathausstraße 13–17, Wien, Österreich, 1881–1882
Synagoge, Malacky, Slowakei, 1886–1887
Synagoge, Jablonec nad Nisou, 1891–1892 (zerstört 1938)
Synagoge Weinberge (Vinohradská synagoga), Sázavská 830, Praha 2, 1894–1896 (zerstört 1945, abgerissen 1951)
Synagoge, Masarykova 111, Čáslav, 1899–1900
Kaiser Franz Josef-Regierungs-Jubiläums-Hospiz für arme Israeliten, Bezručova 10, Nr.1098, Karlovy Vary, 1899–1903
Trauerhalle, U Cvičiště, Jüdischer Friedhof, Jihlava, 1903–1904 (abgerissen 1939)
Jerusalem- (Jubiläums-)Synagoge, Jeruzalémská 7, Praha 1, 1904–1906
Palast Schwab, Weihburggasse 30, Wien, Österreich, 1871–1872
Mietshäuser Königswarter, Rathausstraße 13–17, Wien, Österreich, 1881–1882
Synagoge, Malacky, Slowakei, 1886–1887
Synagoge, Jablonec nad Nisou, 1891–1892 (zerstört 1938)
Synagoge Weinberge (Vinohradská synagoga), Sázavská 830, Praha 2, 1894–1896 (zerstört 1945, abgerissen 1951)
Synagoge, Masarykova 111, Čáslav, 1899–1900
Kaiser Franz Josef-Regierungs-Jubiläums-Hospiz für arme Israeliten, Bezručova 10, Nr.1098, Karlovy Vary, 1899–1903
Trauerhalle, U Cvičiště, Jüdischer Friedhof, Jihlava, 1903–1904 (abgerissen 1939)
Jerusalem- (Jubiläums-)Synagoge, Jeruzalémská 7, Praha 1, 1904–1906
Literatur und sonstige Quellen
Literatura:
Zdeněk Lukeš, Splátka dluhu: Praha a její německy hovořící architekti 1900–1938, Praha 2002, s. 186–187.
Ostatní zdroje:
Ursula Prokop, heslo Wilhelm Stiassny, in: Architektenlexikon Wien, http://www.architektenlexikon.at/de/625.htm, vyhledáno 5. 1. 2023.
Satoko Tanaka, Wilhelm Stiassny (1842–1910): Synagogenbau, Orientalismus und jüdische Identität, nepublikovaná disertační práce, Universität Wien, Vídeň 2009.
Pavel Zatloukal, Wilhelm Stiassny, https://www.zob.cz/vzdelavani/osobnosti/stiassny-wilhelm/, vyhledáno 5. 1. 2023.