Weberei und Wollwarenfabrik Leopold Krebs

   
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden rasch neue Fabrikgelände errichtet, die das Gesamtbild der Städte grundlegend veränderten. Mit dem Beginn der industriellen Revolution begann auch die ehemalige Königsstadt Iglau ihr Gesicht zu verändern. Zwischen den Jahren 1832 und 1862 wurden vier der fünf Stadttore und die Verteidigungsanlagen vor den Toren entfernt. Im Jahr 1887 wurde der erste Regulierungsplan erstellt und eine Nord-Süd-Achse angelegt, die den Bahnhof und das städtische Krankenhaus mit der Innenstadt verbinden sollte. Die Stadtmauern wurden an mehreren Stellen durchbrochen und die Stadt begann sich auszudehnen. Ein neues Netz von Straßen, Kreuzungen, neuen Freiflächen und Parkanlagen wurde geschaffen. Im Jahr 1873 wurde der ausgedehnte Waldpark Nový Heulos fertiggestellt. Mit dem Durchbruch der Burgmauer 1891 an der Stelle der heutigen Straße Palackého konnte die Bebauung von der Innenstadt nach Norden in den Vorort Špitálské předměstí fortgesetzt werden. So entstand die Kreuzung der heutigen Allee Legionářů, der Straßen Jana Masaryka, Bezručova und Palackého sowie die Kreuzung der Allee Legionářů mit der Straße Tolstého in Richtung Platz Náměstí Svobody (vormals Josefské náměstí). Am Nordhang zum Fluss Jihlava sollten neue Wohnhäuser und Industriegebäude gebaut werden. In der Vorstadt Špitálské předměstí, in der Nähe des Stadtzentrums, entstanden zahlreiche Fabriken und Betriebe, die den Einwohnern der Stadt neue Beschäftigungsmöglichkeiten boten. Im Jahr 1870 wurde in der heutigen Straße Srázná ein neues Gaswerk eröffnet und ab dem folgenden Jahr wurde die Stadt mit Gaslaternen beleuchtet. In der Nähe des Gaswerks stand die Wollwarenfabrik von Krebs mit einer Weberei.

Der Inhaber Leopold Krebs hat sein Handwerk in Liberec erlernt. Damals galt Liberec als mitteleuropäisches Zentrum der Textilindustrie und die dortige Webereischule war die erste Schule dieser Art in Mitteleuropa. Die Studierenden erwarben Fähigkeiten und Kenntnisse in Farbharmonie, Zeichnen, praktischer Handweberei oder belegten einen Kurs in der Handelslehre. Die besten von ihnen konnten ihre Werke auf Weltausstellungen ausstellen. Die Schule wurde mit modernen Werkstätten mit 27 Handwebstühlen und zwei mechanischen Webstühlen ausgestattet. Nach seinem Studium begab sich Leopold Krebs auf eine Erfahrungsreise. In Deutschland und Böhmen besuchte er mehrere Webereien mit mechanischen Webstühlen. Er nahm eine Stelle an und sammelte praktische Erfahrungen für die Handweberei des Vaters Augustin Krebs & Sohn. Nach seiner Rückkehr nach Iglau 1877 mietete er das Gebäude der ehemaligen Spinnerei von Wenzelides in Dřevěné Mlýny und ließ die Räumlichkeiten für das Familienunternehmen erweitern. Im Jahr 1882 übertrug ihm sein Vater die Leitung des gesamten Unternehmens. In den Jahren 1882–1883 errichtete Leopold neben dem ursprünglichen Gebäude ein mehrgeschossiges Gebäude mit Werkstätten für die Verarbeitung von Wollrohstoffen und anderen Einrichtungen.

In den 90-er Jahren des 19. Jahrhunderts beschloss Krebs eine neue Weberei zu bauen und bat Theodor Lang, den Baumeister aus Iglau, an dem Projekt mitzuarbeiten. Die Fabrik wurde in den Jahren 1893–1894 in der Straße Srázná gebaut. Lang entwarf ein fünfgeschossiges Gebäude mit Holzbalkendecken. An der Nordseite wurde ein Schornstein mit angrenzendem Kesselhaus gebaut. Später, 1899, wurde die Walke in Richtung des Hofes erweitert. Leopold Krebs wollte die neue Weberei und Wollwarenfabrik sehr modern ausstatten. Es wurde auf 12 Handwebstühlen gewebt, doch die Werkstätten waren auch mit 20 mechanischen Webstühlen ausgestattet. Die Spinnerei verfügte über 1.200 Spindeln. Der Antrieb erfolgte über das Dampfkesselhaus im Hof mit einer Leistung von bis zu 100 PS. Zum Färben von Stoffen nutzte die Firma eine Färberei, die sich in der heutigen Straße Mostecká am Fluss Jihlava befand. Diese war Teil des Unternehmens. Sie wurde unter anderem auch von Karl, dem Freiherrn von Wiedersperg (1867–1950) verwaltet, der das Anwesen in Plandry besaß. Im Jahr 1894 wurde die Färberei mit einem Dampfkesselhaus ausgestattet, bis 1909 wurde sie noch durch eine Spinnerei, Weberei und Walke ergänzt, die von einer Turbine angetrieben wurden. Leider ging die Färberei im Laufe des 20. Jahrhunderts allmählich unter und ist bis heute nicht erhalten geblieben.

Die Weberei in Srázná war offenbar bis zur Verstaatlichung 1948 in Betrieb, als das Gebäude vom staatlichen Betrieb Modeta Jihlava übernommen wurde. Ein Jahr später zerstörte ein Großbrand das Gebäude. Die ursprünglichen Holzbalken wurden danach durch Stahlbetondecken ersetzt und der nördliche Teil wurde neu aufgebaut. Der südliche Wohnflügel hat sein Aussehen bewahrt, aber leider wurde die Fassade vor kurzem wärmegedämmt und das Haus hat sein ursprüngliches Aussehen verloren. Derzeit ist der ursprüngliche Maschinenraum im nördlichen Teil durch einen dreistöckigen Anbau ersetzt worden. An das Kesselhaus und den Schornstein grenzt auch der Anbau, der als Lagerraum dient.

MP
Literatur und sonstige Quellen 

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