Es mag überraschen, dass in Iglau die protestantischen Gläubigen stark vertreten sind. Es handelte sich jedoch nicht um Hussiten, sondern um Lutheraner, Anhänger des Vermächtnisses von Martin Luther, der großen Persönlichkeit der Reformation des 16. Jahrhunderts. Wie andere Königsstädte in Mähren blieb auch Iglau vom Hussitentum fast unberührt, was vor allem an der Dominanz der deutschen Bevölkerung sowie der innenpolitischen Situation in Mähren lag. Und so wurde Iglau zu einem der Zentren des Katholizismus. Der böhmische Adel in der Umgebung schloss sich im Gegenteil oft dem Hussitentum an. Dieser Zustand führte jedoch zu einer Isolierung von den Nachbarländern und zum Risiko eines bloßen kulturellen Dahinlebens. So knüpfte Iglau Kontakte mit der deutschen Welt und in den Kirchen wurden katholische Predigten gehalten. Mit der Ankunft des lutherischen Predigers Pavel Sperat im Jahr 1522 trat jedoch eine Wende ein. Nach Iglau kam er aus Wien, von wo er vertrieben worden war, und wurde einer der ersten lutherischen Prediger in den böhmischen Ländern.
Die Habsburger auf dem böhmischen
Thron versuchten, die Ausbreitung des Protestantismus zu
verhindern. Dank der ständischen Politik wurde Mähren jedoch im
16. Jahrhundert zu einem Land mit großer Religionsfreiheit. Im
Jahr 1562 trat somit der letzte Bürger von Iglau zum lutherischen
Glauben über. Angesichts dieser Situation erlaubte Kaiser
Ferdinand I., in der Stadt lutherische Prediger zu unterhalten,
für die der Stadtrat zwei Häuser in der Nähe der Pfarrkirche
bauen ließ. Die größte Blütezeit des Luthertums fand unter
Kaiser Maximilian II. statt, der 1564 sein Amt antrat. Trotzdem
besetzten die Lutheraner nicht alle Position in der Stadt. Eine
Beruhigung der Beziehungen zwischen ihnen und den Katholiken
brachte ein Abkommen vom 11. Februar 1574. Bis zur Schlacht am
Weißen Berg war das Zusammenleben der beiden Religionen in der
Stadt jedoch angespannt. So wollte die Stadt beispielsweise den
Besitz der örtlichen Dominikaner erwerben und wehrte sich auch
gegen andere katholische Klosterorden.
Nach dem Weißen
Berg kam es in den böhmischen Ländern zu einer Rekatholisierung.
Dies äußerte sich im Verbot von nichtkatholischen Taufen und
Hochzeiten. Am 30. Oktober 1623 musste in Iglau das evangelische
lateinische Gymnasium geschlossen werden. Das endgültige Verbot
des Protestantismus wurde durch die vom Kaiser im Jahr 1628 für
Mähren erlassene Verneuerte Landesordnung herbeigeführt. Während
des Dreißigjährigen Kriegs hofften wohl einige nichtkatholische
Bürger auf die Rückkehr ihres Glaubens, doch diese Illusionen
wurden durch die Unterdrückung durch die schwedischen Eroberer in
den Jahren 1645 bis 1647 zunichte gemacht. So wurde der
lutherische Glaube nach der Mitte des 17. Jahrhunderts nur noch im
Geheimen in einigen wenigen Familien gepflegt.
Eine Wende kam erst mit der
Aufklärung. Zunächst erließ Kaiser Joseph II. im Jahr 1781 ein
Toleranzpatent, das die Existenz der lutherischen und
calvinistischen Konfession erlaubte. Damals konnten die
Protestanten jedoch nur bescheidene Kirchen außerhalb des
Dorfkerns und ohne Türme bauen. Nach dem kaiserlichen Patent von
1861 änderte sich auch dies und die Architektur protestantischer
Kirchen wurde der katholischer Kirchen gleichgestellt.
Die
lutherische Gemeinde in Iglau existierte offiziell ab dem Jahr
1861. Bald begann sie mit einer Geldsammlung für den Bau ihres
Gebetshauses. Wie in anderen Orten in Böhmen und Mähren erhielt
dafür auch die Iglauer Gemeinde einen entscheidenden Beitrag aus
Deutschland, und zwar vom Gustav-Adolph-Verein. Die Genehmigung
für den Bau erhielt die Iglauer Gemeinde im Jahr 1875. Der Bau
kostete 26 Tausend damalige Gulden. Aus demselben Jahr stammen
auch die Pläne des Architekten Alois Netsch. Dieser entwarf die
Kirche im Stil des romantischen Historismus, der für die
preußische Umgebung typisch war und in dem sich Elemente der
Romanik, Renaissance und Gotik vermischten. Durch seine
neugotische Form zeichnet sich insbesondere das Hauptschiff aus.
Der Grundstein wurde am 5. August 1875 von den Iglauer
Protestanten gelegt, und die Kirche wurde am 18. Oktober 1878
eingeweiht.
Die Kirche erhielt ihren Namen vom Apostel Paulus und dem bereits erwähnten lutherischen Prediger Pavel Sperat. Sie wurde deshalb „Speratuskirche“ genannt. Im Jahr 1894 wurde sie repariert und im Jahr 1903 erhielt sie eine Gasbeleuchtung. Ihre heutige Gestalt erhielt die Kirche im Jahr 1913, als ihr Turm von dem Architekten Eduard Neubauer erhöht wurde. Nach dem Entwurf dieses Architekten wurde eine neue Holztreppe gebaut. Die Kirche war ursprünglich mit zwei Glocken ausgestattet. Eine davon wurde 1916 von der Armee beschlagnahmt, die zweite funktioniert bis heute. Sie stammt aus dem Jahr 1880 und trägt das Porträt von Friedrich Karl von Preußen, der für ihren Guss das Metall aus den im Deutsch-Französischen Krieg erbeuteten Kanonen widmete.
Weitere Reparaturen an der Kirche
wurden im Jahr 1928 durchgeführt. Ende der 50er Jahre wurden
Änderungen der Fassade sowie der Innenräume vorgenommen. Im Jahr
1975 folgte die Entfeuchtung der Wände. Im Jahr 1995 erhielt die
Kirche eine neue Fassade und vier Jahre später auch eine neue
Turmuhr. Zwischen 2007 und 2011 wurde sie erneut entfeuchtet, es
wurde ein Granitboden verlegt und der Innenraum renoviert. Im Juli
2024 wurde mit der Reparatur der Dachstühle und dem Austausch der
Dachdeckung der Kirche begonnen.
Bis zum Ende des
Zweiten Weltkriegs gehörte die Kirche der deutschen lutherischen
Kirche in Iglau. Nach 1920 wurde sie jedoch sowohl von deutschen
als auch von tschechischen Protestanten genutzt. Während der
Vertreibung der deutschen Bevölkerung in den Jahren 1945–1946
kam die Kirche unter die Verwaltung der Evangelischen Kirche der
Böhmischen Brüder, die in Iglau ab dem Jahr 1929 existiert.
Heute finden dort regelmäßig Sonntagsgottesdienste statt, die
vom Pfarrer Jan Keřkovský geführt werden. Neben dieser Kirche
gehören der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder in Iglau
auch das nahe gelegene Pfarrhaus in der Straße Vrchlického sowie
die Kirche in Střížov bei Brtnice. Seit 2006 hat die Kirche den
Status eines Kulturdenkmals.
FV