Stadtzentrum. Eingriffe in den historischen Kern im 20. und 21. Jahrhundert.

   

Der historische Kern der einstigen Königsstadt, die um 1240 gegründet wurde, zeichnet sich bis heute durch einen großen rechteckigen Stadtplatz, ein mehr oder weniger regelmäßiges Straßennetz, einen Stadtmauerring, eine reiche Vielfalt an Bürgerhäusern und drei der ältesten sakralen Bezirke aus, die im Barock durch den Jesuitenkomplex und das heute spurlos untergegangene Kapuzinerkloster ergänzt wurden. Dennoch hat die fast 800 Jahre alte Stadt heute eine ganz andere Gestalt als zu Zeiten der Gotik, Renaissance oder des Barocks. Nach den Bränden im 16. Jahrhundert mussten viele Häuser wieder aufgebaut werden, nach dem Dreißigjährigen Krieg wieder saniert und ab Ende des 18. Jahrhunderts allmählich an die Ansprüche des Mietwohnens und der Bauvorschriften angepasst werden. Während die Bedeutung der Kirche in der Barockzeit zunahm, nahm sie unter Joseph II. stark ab. So wurden der Jesuitenkomplex ab 1776 von Soldaten genutzt und ein halbes Jahrhundert später wurde anstelle der Kapuziner ein Theater gebaut. Die älteste Befestigung stammt aus der Zeit der Gotik, im 16. Jahrhundert wurde sie zum letzten Mal ausgebaut und Mitte des 17. Jahrhunderts wurde Iglau mit Wällen umringt und ist zu einer Festung geworden, die 1755 wieder aufgehoben wurde und es wurden um sie herum neue Häuser gebaut. Bis auf eines wurden alle Stadttore zerstört, der nordwestliche Teil der Stadtmauern wurde viermal durchbrochen. Der Friedhof um die St.-Jakobus-Kirche diente Ende des 18. Jahrhunderts aus, um die Heilig-Geist-Kirche im Jahr 1868 und 1869 wurde ein neuer Friedhof weit entfernt vom Zentrum neu angelegt. Im 19. Jahrhundert breiteten sich die Vororte von Iglau beträchtlich aus, es entstanden neue öffentliche Räume, neue Parkanlagen, Schulen und die brauberechtigten Bürgerhäuser schlossen sich 1863 zusammen, um die einzige Bürgerbrauerei in Iglau zu gründen. Jede Epoche hatte ihre eigenen Themen und spiegelte sich auf ihre Weise im Bild der Stadt wider, was auch heute noch der Fall ist. Auch wir hinterlassen charakteristische Spuren.

Obwohl die lange Geschichte und die erhaltenen Denkmäler der Stadt von den Bürgern seit langem gepriesen werden, wurden die besonderen Werte der Stadt erst Ende des 19. Jahrhunderts erkannt und es wurden Anstrengungen unternommen, sie zu würdigen und zu schützen. Im Jahr 1891 erfolgte der Umbau der Heilig-Geist-Kirche im Stil der Neorenaissance nach dem Entwurf des in Wien ausgebildeten Richard Völkel. Unter seiner Leitung erfolgte in den Jahren 1898 bis 1900 auch die puristische Erneuerung der St.-Jakobus-Kirche, deren Fertigstellung auch noch nach 1906 fortsetzte. Die Kirche der Jungfrau Maria und die Kirche St. Johannes der Täufer erhielten noch vor dem Ersten Weltkrieg neue Bleiglasfenster. Ein symbolischer Nachhall des überlebenden 19. Jahrhunderts war auch der Bau der überdimensionierten Gebäude der Sparkasse und des Postamts an der Stirn des Stadtplatzes. Dieses anfänglich romantische Bestreben, das vor allem durch die Tradition motiviert war und überwiegend von deutschen Einwohnern von Iglau gepflegt wurde, änderte sich erst mit der Gründung des neuen Staates und der allgemeinen Änderung der Umstände nach 1918. Während in der Kaiserzeit das Augenmerk der Fachöffentlichkeit vor allem die Wahrzeichen der Stadt, allen voran, die gotischen Kirchen gelenkt war, richtete sich in der Ersten Republik das Interesse der Forscher sowie der Denkmal- und Baubehörden auch auf eine Reihe bedeutender Bürgerhäuser. In gewisser Weise nebenbei wurde dabei 1924 der Putz von dem einzigen erhaltenen Tor der Muttergottes in Iglau entfernt. Mitte der 30-er Jahre wurde der Bau des Kaufhauses Baťa (Masarykovo náměstí 49) an der Stelle des historischen Sitzes des Stadtvogts der Stadt diskutiert. Der Unternehmer erklärte sich sogar bereit, die entdeckten Renaissance-Fresken in das Gebäude des ehemaligen Jesuitengymnasiums zu übertragen. Der Zweite Weltkrieg und die anschließende Vertreibung der Deutschen, die traditionell in Iglau lebten, waren entscheidend für die Wahrnehmung der Geschichte der Stadt und des Stadtzentrums. Damit wurde eine Tradition gebrochen, die seit dem Mittelalter Bestand hatte. Eine Narbe im städtischen Gefüge bleibt bis heute das unbebaute Grundstück der zerstörten Synagoge in der Straße Benešova, die in den 60-er Jahren durch den Abriss der umliegenden Häuser noch vergrößert wurde und in den Jahren 2008 bis 2010 zum Gustav-Mahler-Park umgestaltet wurde. Das bedeutendste Bauwerk aus der Kriegszeit ist zweifellos das Gebäude Hrádek im Park Velký Heulos aus den Jahren 1940 bis 1941. Die ursprüngliche Hitlerjugend-Herberge wurde 1943 in die Adolf-Hitler-Schule umgewandelt.

Nach dem Krieg wurde der Stolz der Alteingesessenen durch das staatliche Interesse ersetzt. Bereits 1949 wurde die Stadt einer flächendeckenden Untersuchung unterzogen, bei der die wertvollsten historischen Gebäude ermittelt wurden. Im Jahr 1950 wurde die Stadt zusammen mit weiteren Städten zum Denkmalschutzgebiet erklärt, dessen Erneuerung mit erheblichen Mitteln finanziert werden sollte. Die kühnen Pläne wurden jedoch nur in einem sehr begrenzten Umfang umgesetzt. Zu den bedeutendsten Realisierungen gehören die großzügigen Umbauten von Gebäuden am Platz Nr. 57 und 58 für das Anfang der 50-er Jahre neu gegründete Muzeum Vysočiny oder die etwas spätere Erneuerung des Gebäudes Komenský 10 für die bestehende Galerie Oblastní galerie Vysočiny. In den 50-er Jahren wurde auch das Rathausgebäude erneuert und dabei der Saal für den Stadtrat im Erdgeschoss neu gebaut. Zu den weniger bedeutenden Erneuerungen gehört beispielsweise die schrittweise Erneuerung der Häuser in der Straße Brněnská. Ein Beispiel für die Annäherung an das Stadtzentrum und die damalige Idee einer geeigneten Architektur zu dessen Ergänzung ist die Reihe außergewöhnlicher historisierender Neubauten Křížová 15, Havířská 13 und Hluboká 18 aus der Mitte der 50-er Jahre, die nach den einleitenden Projekten des Architekten Oldřich Plhoň aus der Iglauer Niederlassung des Staatlichen Projektinstituts für den Städte- und Dorfbau in České Budějovice realisiert wurden. Die Bauwerke sind individualisiert und passen sich stets an den jeweiligen Standort an. Sie könnten als buchstäblich kontextbezogen betrachten werden und zwar einschließlich der Verwendung von Sprossenfenstern, gleichzeitig jedoch ohne offensichtliche Ambitionen sich architektonisch abzuheben. Mehr typisierte Gebäude sind ähnlich alte Häuser in Divadelní 15 und Matky Boží 17. Im Jahr 1958 wurde der erste Sanierungsplan für das Stadtzentrum von Iglau erstellt, nach dem die Häuser im Zentrum erneuert und an die wachsende Nachfrage nach Wohnraum angepasst werden sollten. Auf der Grundlage dieses Plans wurde auch der gesamte heutige Platz Masarykovo náměstí mit dem diagonalen Verlauf der Hauptverkehrsstraße umgestaltet. In den 50-er Jahren wurde ein Teil der abgezweigten Straße Znojemská im Zusammenhang mit dem Bau von Brücken abgerissen. Bereits 1967 wurde jedoch ein zweiter Sanierungsplan erstellt, der schon im Sinne der Modernisierung den Ersatz eines großen Teils des erhalten gebliebenen Wohnungsbestands durch Neubauten vorsah. Auf der Grundlage dieses Plans wurden eine Reihe von Häusern in den Straßen Židovská, Mrštíkova und Stará, mehrere Häuser am Platz Minoritské náměstí und ein kleiner Häuserblock in der Mitte des Platzes abgerissen, dessen Standort bereits damals für den Bau eines neuen Einkaufszentrums in Betracht gezogen wurde. Gleichzeitig mit der Fertigstellung des Plans 1967 wurde auch mit dem Bau eines Teils der Umfahrung des Stadtkerns begonnen, der aus dem Abriss des abgezweigten Teils der Straße Matky Boží und anderer kleinerer Gebäude entlang der untergegangenen Straße V Důlkách sowie der Ausdehnung der vierspurigen Verkehrsstraße erster Klasse bestand. Das einzige neue Gebäude aus den 60-er Jahren im Stadtzentrum ist das 1969 bis 1971 errichtete Verwaltungsgebäude der Firma Snaha (Židovská 3) und die benachbarten niedrigen Servicegebäude in der neu durchbrochenen Verlängerung der Straße Palackého. Die Erweiterung des Hotels Zlatá hvězda wurde in den 60-er Jahren ebenfalls ausgeschrieben, doch leider erst viel später nach anderen und weniger interessanten Plänen realisiert. Die Pflege des Denkmalfonds war umstritten. Allein in den Jahren 1964 bis 1967 mussten zwölf Gebäude im Zentrum wegen ihres schlechten Zustands abgerissen werden. Mitte der 60-er Jahre wurde die klassizistische Fassade des Hauses in der Straße Znojemská 2 entfernt, wodurch die epische Renaissance-Freskenverzierung von 1591 zum Vorschein kam. Die damals avantgardistische Renovierung des Hauses Sklípek (Masarykovo náměstí 7) wurde vom Architekten Zdeněk Gryc aus Stavoprojekt Jihlava entworfen, der das Haus 1965 zur Fertigstellung übernahm. Seit den 60-er Jahren führte das Unternehmen Geoindustria die Sanierung der städtischen unteridischen Gänge durch, die zwar deren Stabilität sicherstellte, allerdings auch die Entwässerungsverhältnisse änderte, so dass bis auf einen kleinen Teil der unteren Keller alles in Beton versenkt wurde. Anfang der 80-er Jahre wurde ein Teil des Blocks zwischen den Straßen Komenského und Bezručova abgerissen. Mit dem Rückgang des Niveaus und der Durchführung der Projekte in den 70-er und 80-er Jahren wurde eine Menge von Stadthäusern erneuert, insbesondere an der Süd- und Westseite des Stadtplatzes. Dabei wurde die Renaissance-Fassade des Hotels Zlatá hvězda restauriert, ebenso wie die gotische Form des Hauses mit Laubengang Nr. 39 oder die jüngeren Fassaden der Häuser Nr. 40, 41 oder 47 wurden zugunsten einer vermeintlichen Renaissance-Neuform entfernt. Die bedeutendste Realisierung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist jedoch zweifellos der Bau des Kaufhauses Prior, das in den Jahren 1977 bis 1984 ungefähr an der Stelle des abgerissenen Häuserblocks errichtet wurde. Obwohl der Realisierung Diskussionen und Vorbereitungen vorausgingen, die mindestens seit 1964 geführt wurden, darunter zwei interne Ausschreibungen innerhalb des Staatlichen Projektinstituts des Handels mit interessanten Beiträgen, wurde das Haus schließlich nach einem modifizierten Entwurf des Architekten Zdeněk Sklepek realisiert, der erst der dritte in der Reihe war, der sich mit dem Haus befasste. Das Bauwerk ist somit nicht nur das Ergebnis von Normalisierungsprozessen innerhalb des Projektinstituts, aus dem der Leiter Jaromír Sirotek und die Autorin des Entwurfs Růžena Žertová im Jahr.... ausschieden, sondern auch des Örtlichen Nationalausschusses
und der Ratlosigkeit, mit der die Selbstverwaltung und der Staatsapparat mit dem damals prominenten Handelsunternehmen kommunizierten. Der Raumordnungsplan aus den 80-er Jahren, der unvollendete Regulierungsplan von 1991 und der nicht genehmigte Regulierungsplan von 2005 fanden keine Anwendung. Dennoch konnte die Fertigstellung des Blocks an der Straße Palackého in postmodernen Formen abgeschlossen werden. Die bisher bedeutendste Realisierung im befestigten Stadtkern nach der Wende ist der Bau des neuen Gebäudes des Theaters Horácké divadlo aus den Jahren 1990 bis 1995. In den letzten Jahren wurden das Rathausgebäude, die Ausstellungshäuser in der Straße Husova, das Gebäude des Hotels Zlatý lev für die Zwecke einer Kunstgrundschule, die Gebäude des Stadtamts in der Straße U Mincovny 6 und 8 oder aktuell das Gebäude Masarykovo náměstí 21 nach dem Projekt des Architekten Marek Štěpán erneuert. Die Familienhäuser in der Straße Březinovy sady stellen leider nur einen zeitgenössischen Standard dar. Bislang wird der siegreiche Entwurf des Studios MCA für die Revitalisierung des Platzes Masarykovo náměstí besprochen, von dem bisher nur ein kleiner Bereich mit Bäumen vor dem Rathaus realisiert wurde.

Eingriffe in die historische Umwelt erfordern stets einen überlegten Ansatz, der auf einem guten Verständnis der gestalteten Umwelt und einer sensiblen Beurteilung der bestehenden und zu erwartenden Werte beruht. Während es in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg wichtig war, berühmte Bauwerke zu errichten und zu pflegen, sind in der Zwischenkriegszeit vor allem zaghafte Bemühungen spürbar, die veraltete Stadt zu modernisieren und sie an den beschleunigten Puls der Zeit anzupassen. Während des Kriegs kehrte für einen kurzen Zeitraum das Ethos des altertümlichen Ursprungs zurück, was nicht nur am Gebäude Hrádek, sondern auch am ersten restaurierten Laubengang des Hauses Masarykovo náměstí 67 zu erkennen ist. Nach dem Krieg war es erforderlich, dass die Häuser wieder bewohnt und saniert werden. Die Sanierungen kamen nur sehr langsam voran und die in den 50-er Jahren gestellten Aufgaben wurden eigentlich nie wirklich erfüllt. Einige Häuser hielten der mangelnden Pflege nicht stand, andere wurden absichtlich abgerissen. Bis 1990 war die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts durch die zentrale Vorstellung der Stadt als einem komplexen System geprägt, das parametrisch verändert und rational gestaltet werden kann. Neben den notwendigen Reparaturen ging es damals vor allem um die Pflege der technischen, betrieblichen und verkehrstechnischen Infrastruktur. Nach 1990 richtete sich in Folge der Privatisierung das Interesse wieder stärker auf einzelne Objekte als Grundelemente des städtebaulichen Organismus der historischen Stadt. Während es in den 60-er Jahren noch möglich war fast einen ganzen Häuserblock planmäßig abzureißen, ist es heute nicht mehr möglich, auch nur einen einzigen abzureißen. Während die Erneuerung des Stadtplatzes innerhalb weniger Jahre nach der Erstellung der Studie 1958 in einem Zug durchgeführt werden konnten, ist eine längere Wartezeit erforderlich.

JN

Audioguide Teil eins
Audioguide Teil zwei

Objekte auf der Route