Palmovka

 
Neben dem Silberabbau und einer gut entwickelten Tuchmacherei war die Region Iglau auch von der Glasherstellung geprägt. Die bewaldeten Hügel des Hochlandes (Vysočina) lieferten reichlich Brennholz und Mineralien, darunter reinen Quarz für die Glasherstellung und -verarbeitung. Die ersten Glashütten wurden hier bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts gegründet, die Produktion erreichte ihren Höhepunkt mit der Ankunft von Glasmacherfamilien aus Österreich und dem Böhmerwald zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Das erste böhmische Kristallglas, das in der Welt so beliebt ist, wurde beispielsweise von Anton Müller in der Glashütte in Božejov hergestellt. In der Region waren etwa zwölf weitere Glashütten in Betrieb. Nach dem flächengroßen Holzeinschlag von 1740 und dem Überfluss an Holz zum Heizen stieg die Zahl der neu gegründeten Glahütten noch mehr an. Neben den Glashütten gab es in der Region auch eine Vielzahl von Glasschleifereien. In den Aufzeichnungen ist von bis zu 24 Betrieben die Rede, einige waren jedoch sehr klein und nur für kurze Zeit in Betrieb. Verschiedene Händler nahmen die fertigen geschliffene Produkte der Glasschleifereien ab und vertrieben sie. Meistens handelte es sich dabei um Flaschen, Dosen, Becher, aber auch um Perlen in verschiedenen Größen und Arten, so genannte Glasperlen zur Herstellung von Rosenkränzen.

Einer der Vermittler des Glashandels war auch der in Úsobí geborene Unternehmer Berthold Palme (1879–1961), der geschliffenes Glas von diesen kleinen Glasschleifereien kaufte. Anschließend brachte er sein Logo mit der Abbildung einer Palme auf den Produkten an und verkaufte sie unter seinem eigenen Namen weiter. Der Familie Palme gehörte wahrscheinlich auch die Glashütte von Vilém bei Vilémovské Chaloupky in der Nähe von Smrčná.

Bertold Palme war auf der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten für sein expandierendes Unternehmen. Er fand sie im Vorort Brtnické předměstí, südlich des Stadtzentrums, wo er sich ein Gebäude von Arthur Corazza aussuchte, einem prominenten Iglauer Baumeister, der unter anderem auch das Sparkassengebäude in der Straße Křížová 1, die Druckerei mit Jugendstilfassade in der Straße Srázná 17 oder Wohnhäuser in der Straße Jirásková 7 entworfen hat.

Josef Nägele, der Besitzer einer Haarverarbeitungsfabrik, ließ die Fabrik, die Palme 1919 kaufte, zwischen 1912 und 1913 zusammen mit seiner eigenen Wohnvilla errichten. Palme richtete im Erdgeschossflügel eine neue Glasschleiferei und Porzellanmalerwerkstatt ein. Er stellte Glasschleifer ein und nahm mehrere neue Lehrlinge auf. Die Zahl seiner Angestellten lag schließlich bei etwa siebzig. Palme schickte seinen Sohn in die Welt hinaus, um den Außenhandel zu studieren. In den Werkstätten der neu eingerichteten Schleiferei wurde Kristallglas geschliffen und bemalt, Aschenbecher, Blumenvasen, Tintenfässer, Likörsets und anderes Deko- und Nutzglas hergestellt. Die Produkte mit dem Palmenemblem wurden in die ganze Welt exportiert und wurden bald zu einem geschätzten Glasprodukt und zu einer begehrten Trophäe für Kunstsammler. Heute sind einige dieser Produkte beispielsweise in der Glassammlung des Museum of Modern Art in New York und in vielen anderen Sammlungen zu finden.

Palme betrieb die Glasschleiferei bis 1941. Der Krieg und die neuen Verhältnisse nach dem Krieg haben alles verändert. Ein Jahr nach der Befreiung fiel die Glasschleiferei an das staatliche Unternehmen Sklárny Inwald, Teplice-Šanov. Im Jahr 1949 wurde sie Teil des Unternehmens Dobronínské sklárny. Drei Jahre später wurde der Betrieb vollständig nach Dobronín verlagert, und das Gelände mit der Villa und der ehemaligen Glasschleiferei wurde vom staatlichen Unternehmen Jihlavan (seit 1958 Technometra, heute wieder Jihlavan) zur Herstellung von Hydrauliksystemen für Traktoren Zetor Super und später für Flugzeuge genutzt, was bis heute andauert. Die Betriebsstätte wurde als Lagerhaus genutzt und die Villa verfiel zusehends. Erst 2012 übernahm ein neuer Eigentümer den Komplex und begann in Zusammenarbeit mit dem Studio Mjölk architekti aus Liberec mit dem Wiederaufbau. Das Ergebnis ist eine sehr gelungene Rekonstruktion, welche die Invention von Corazza respektiert und gleichzeitig auf moderne und sensible Weise ihre Präsenz zur Geltung bringt. Das neue Gebäude wurde auf die Bedürfnisse des Unternehmens des Eigentümers zugeschnitten und bot Büros, Präsentations-, Produktions- und Lagerräume sowie Möglichkeiten zur Entspannung. Dabei wurde die ursprünglichen Konstruktion teilweise freigelegt, das Dachgeschoss geöffnet und renoviert und das hölzerne Durchfahrtstor durch ein großes verglastes Schaufenster ersetzt, hinter dem sich eine kleine Betriebsstätte der Frau des Eigentümers befindet.

Der Zugang zum Gebäude erfolgt über einen seitlichen Steg. Früher führte eine Zufahrtsrampe darunter hindurch, die heute mit Wildgräsern bepflanzt ist. Die Besucher begrüßt eine einladende Eingangshalle mit einem Klavier und einer Kunstinstallation des zeitgenössischen visuellen Künstlers Richard Loskot, die optisch in drei Bereiche unterteilt ist: Empfang, Begegnungen und Verhandlungen sowie Entspannung. Eine Treppe mit ursprünglichen Elementen führt von der Halle zum Obergeschoss. Hier wurde durch den Abriss von Trennwänden ein offener Arbeitsraum mit Zugang zur überdachten Außenterrasse geschaffen. Angebaut wurde eine kleine Küche mit Toiletten. Durch die Büroräume kann über eine weitere Treppe das Dachgeschoss betreten werden.

Die attraktiven Innenräume des Gebäudes wurden teilweise auch unter Verwendung der Originalausstattung gestaltet. Die neuen Möbel wurden aus den Dielen alter Holzböden maßgefertigt, die gusseisernen Säulen, welche die Betondecke der Halle stützen, blieben nach der Reinigung ebenfalls erhalten, der Raum wird durch überholte Industrielampen und mobile gusseiserne Wagen ergänzt, die zu Abstellmöbelstücken umgestaltet wurden und der Außeneingang wird von Lampen beleuchtet, die aus alten Lautsprechern des Werksradios gefertigt wurden. In dem im Jahr 2019 erneuerten Lagergebäude sind die ursprüngliche tragende Stahlkonstruktion und das Betondach erhalten geblieben. Der gesamte Raum wird durch eine Reihe aus hohlen Glasziegeln beleuchtet, die Halle und der Hintergrund werden durch überholte oder originale Elemente ergänzt.

Außerdem wurde die gesamte Konversion in sehr kurzer Zeit durchgeführt. Von der ersten Verhandlung zum Projekt bis zur Übergabe des Bauwerks und der Genehmigung zur Nutzung sind nur 104 Wochen vergangen. Ab dem Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung hatte also das Studio Mjölk architekti nur 12 Monate Zeit, um das Projekt zu realisieren. Im Jahr 2017 wurde dieses sehr erfolgreiche Projekt mit dem Tschechischen Architekturpreisausgezeichnet.

MP
Literatur und sonstige Quellen 

Weitere Objekte auf dem Lernpfad