Wohnsiedlung Březinky, Handels- und Dienstleistungszentrum und Poliklinik

   
Das ausgedehnte östliche Gebiet der Stadt wurde für die künftige Bebauung bereits im Regulierungsplan der Zwischenkriegszeit von dem Brünner Architekten Bohuslav Fuchs festgelegt. Doch statt der von Fuchs vorgeschlagenen Gartenstadt wurden hier seit Ende der 60-er Jahre Plattenbauten mit rund 3.300 Wohnungen für 13.000 Einwohner errichtet. Der gesamte Raumordnungsplan des Geländes wurde 1967 vom Architekten Zdeněk Gryc aus dem Studio von Jan Řídký von Stavoprojekt Jihlava erstellt. Die ursprüngliche Absicht sah noch den Bau von solitären Familienhäusern in der Nähe der heutigen Straße Demlova und eine insgesamt wesentlich geringere Dichte der Bebauung und Anzahl von Wohnungen vor. Das Gelände wurde vom Nordosten durch die bestehende Kolonie der Familienhäuser und den Friedhof in Kalvárie abgegrenzt, im Osten vom Stadtzentrum durch das tiefe Tal des Flusses Jihlávka, im Süden durch die Straße nach Brünn und im Südwesten durch große Grundstücke des städtischen Bauunternehmens. Die Wohnsiedlung füllte in den aufeinander folgenden Bauphasen eine Fläche von über 80 Hektar. Dank der Initiative von Zdeněk Gryc und dem Historiker František Hoffmann vom Iglauer Museum trug der Komplex bereits zur Zeit seiner Entstehung den Namen Březinovysady, musste jedoch schon bald in A.-Zápotocký-Siedlungumbenannt werden. Heute nennen wir sie Wohnsiedlung Březinova oder Březinky.

An der Verkehrslösung hat Vladimír Veselý von der Technischen Universität Brünn mitgearbeitet. Zwischen den 1968 und 1973 wurden vorbereitende Arbeiten an der Hauptringstraße, der heutigen Straße Okružní, durchgeführt, die das verkehrliche Rückgrat des gesamten neuen Bezirks von Süden durch eine große Ringstraße nach Westen bildete und gleichzeitig den notwendigen Straßenring um die Innenstadt schloss. Von der Straße Okružní zweigten Sackgassen in weitere Teile ab. Das Hauptanliegen des Architekten war es, den Autoverkehr so weit wie möglich aus den wichtigsten gesellschaftlichen Zentren des Komplexes zu verdrängen und eine ungestörte, von Grünanlagen umgebene Hauptfußgängerroute durch die gesamte Siedlung mit Unterführungen und Fußgängerstegen ohne Kollision mit dem Autoverkehr zu schaffen. Nach Grycs Erinnerung entstand der Entwurf der Siedlung aus der Vision des Vorrangs der Fußgänger, die in der englischen Urbanistik vorherrschend war:„pedestrians first“. Die Hauptroute verband das Gelände der Grundschule mit dem angrenzenden Kindergarten und der Kinderkrippe auf der Ostseite der Siedlung. In der Nähe ihres Zentrums – des Einkaufszentrums mit Poliklinik – wurde eine Drehscheibe für Oberleitungsomnibusse errichtet. Die Hauptfußgängerroute führte weiter zum Waldpark Heulos. Hier sollte sie mit einem etwa fünf Meter breiten und mehr als zweihundert Meter langen Fußgängersteg über das Tal des Flusses Jihlávka fortgesetzt werden und nahtlos an das historische Zentrum von Iglau mit der Mündung in der Nähe des Platzes náměstí Svobody anschließen. Die Umsetzung des großzügigen Plans des Fußgängerstegs wurde durch die politischen Veränderungen nach 1968 zunichte gemacht. Leider wurde auch die zweite Unterführung nicht gebaut, die an der heutigen Kreuzung der Straßen Březinova und Okružní in der Nähe des Lidl-Marktes liegen sollte.

Der Bau der Wohnsiedlung wurde zwischen den Jahren 1970 und 1987 in mehreren Etappen durchgeführt. Die Null-Phase von 1968 umfasste den Abriss von etwa fünf nicht großen Bauwerken. In der ersten Phase wurde die südöstliche Ecke in der Nähe der Straßen Demlova, Okružní und Březinova mit fünfstöckigen Häusern und Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen bebaut – Kindergarten, Kinderkrippe und Einkaufszentrum. Der erste Wohnblock wurde 1971 zur Nutzung übergegeben. In der zweiten Phase verlief die Bebauung mit Reihenhäusern in nordwestlicher Richtung entlang der Höhenlinie in einem sanften Hang. Die Häuser hier sind niedriger und haben unkonventionell platzierte Garagen im Erdgeschoss, die sich durch graublaue Mosaikfliesen zwischen den Fenstern voneinander abhoben. Gleichzeitig wurde am östlichen Rand der Wohnsiedlung ein Gelände mit Grundschulen mit Kantine und Außensportplatz gebaut, das vom Architekten Ctibor Seliga entworfen wurde. Die dritte Phase ab Anfang der 80-er Jahre umfasste ein Einkaufszentrum und eine Poliklinik. Gleichzeitig wurde der Bau eines Kinos mit 550 Plätzen neben der Straße Okružní im östlichen Teil der Siedlung geplant. Das rechteckige Kinogebäude mit rundem Zuschauerraum wurde schließlich nicht realisiert und zwischen 1979 und 1981 durch zwei Plattenbauten und das kürzlich teilweise abgerissene Hotel Jihlava des Architekten Zdeněk Baueršíma ersetzt. Fächerförmige Reihen von Plattenhäusern zusammen mit fünfstöckigen Solitärhäusern füllten in der vierten Phase den nordwestlichen Bereich der Siedlung. In der letzten, fünften Phase wurde eine Gruppe von sechzehn separaten achtstöckigen Häusern in der Straße Na Kopci am Rande des Waldparks Heulos errichtet. Bei den Wohnhäusern wurde hier fast überall das modulare Paneelsystem T 06 B des Iglauer Betriebs Prefa eingesetzt, mit bereits montierten Fensterfüllungen und dem charakteristischen Zwischenfenstermosaik in grau-blau oder ziegelrot. Die einzige Ausnahme bildete ein Paar elfstöckiger Solitärhäuser im nördlichen Teil der Straße Okružní, die 1978 vom Architekten Pavel Fousek entworfen wurden.

Das Handels- und Dienstleistungszentrum Vysočinades Architekten Zdeněk Gryc bestand aus zwei parallelen Betriebsflügeln und seitlichen Verbindungsbrücken mit Treppenaufgängen zur Galerie im oberen Stockwerk. Die Galerie bildete ein durchgehender Laubengang für einen bequemen überdachten Durchgang im Erdgeschoss. Die vierflügelige Disposition umschloss einen kleinen rechteckigen Platz. Das Zentrum befand sich im Schwerpunkt der Siedlung. Es schloss an die Hauptverkehrsader durch ein vergesenktes Erdgeschoss an, das für die Versorgung vorgesehen war. Dem Architekten gelang es nicht, den ursprünglichen Entwurf des Kaufhauses mit Tiefgarage beim Bauunternehmer Pozemní stavby Brno durchzusetzen, der nur mit einem montierten Skelett von 6 x 6 Metern arbeiten konnte, das für den Bau des Kaufhauses nicht geeignet war. Auf der Ebene des zweiten Stockwerks schloss das Einkaufszentrum von Gryc durch einen Fußgängersteg an die Hauptfußgängerroute von den Grundschulen an. Ein weiterer Steg mit der Treppe führte zum Service-Parkplatz. Das Zentrum bestand aus einem Nordflügel mit Drogeriemarkt, Obst- und Gemüseladen, Lebensmittelgeschäft, Konditorei, Friseurladen, Restaurant, einer Bierstube, Bibliothek und Kindergarten. Der Südflügel beherbergte das Postamt, die Telefonzentrale und andere Geschäfte. Der Bereich des Platzes zwischen den beiden Flügeln wurde mit Kunstwerken geschmückt, einem minimalistischen Brunnen aus Granitquadern und einer Statuengruppe aus Granit Mutter mit Kindvon Roman Podrázský, mit denen die Blautöne der Glasmosaikfliesen an den runden Säulen des Säulengangs harmonierten.

Das Einkaufszentrum von Gryc wurde bei regionalen Architekturausstellungen mehrfach positiv bewertet. Das 1988 in Prag abgehaltene Symposium über Zentren von Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen würdigte es als die einzige vollständige Realisierung eines Platzes in einer Wohnsiedlung in der Tschechischen Republik. Der Gesamtkomplex aus Einkaufszentrum und Poliklinik, der 1988 fertiggestellt wurde, wirkte luftig und kultiviert und erfüllte seine verschiedenen Funktionen sehr gut. Im Zuge der Privatisierung nach der Revolution ging es in Privatbesitz über und durch schrittweise bauliche Veränderungen verlor leider viel vom Charme seiner ursprünglichen architektonischen Konzeption.

Die allmähliche Fertigstellung der Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen hat die Autarkie der Siedlung Březinky und ihre Unabhängigkeit von den Dienstleistungen der übrigen Stadt weitgehend gewährleistet. So entstand ein neuer Kontrapunkt zum alten Zentrum – Stadt in der Stadt – für mehr als zehntausend Einwohner. Zur Wohnsiedlung gehörten zwei typisierte Kindergärten mit Kinderkrippen und 1985 kam ein atypisches Kindergartengebäude der Architektin Marta Příbová in der Straße Stavbařů (Nr. 4334) dazu. In der letzten Bauphase zwischen 1982 und 1989 wurde noch eine Sporthalle mit der Turnhalle für 200 Zuschauer, Fitnessraum und Sauna (Nr. 4628) der Architektin Jana Fousková errichtet.

Die vielen Grünflächen, die hochwertige Landschaftsgestaltung und der gute Service in Bezug auf die sensibel ausgewogenen Dichte und Höhenniveaus der Bebauung machen Březinky zu einem Beispiel für kultivierte Wohnsiedlungen in der Tschechischen Republik. Architekturhistoriker vergleichen sie mit der Siedlung Lesná in Brünn. Nach eigener Aussage von Zdeněk Gryc verdankt diese Iglauer Siedlung ihre erfolgreiche Lösung der politischen Entspannung kurz vor 1968. Die durchdachte urbanistische Konzeption von Gryc des ruhigen und gesunden Wohnens im Park ohne den störenden Einfluss des Autoverkehrs wird hoffentlich beibehalten.

JL
Literatur und sonstige Quellen 

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