Wohnsiedlung I

   
Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Bedarf an neuen Wohnungen in Iglau nicht so groß wie in anderen Teilen des Landes, vor allem wegen der freien Kapazitäten nach der massiven Vertreibung der Iglauer Deutschen. Deshalb wurde mit dem Bau der neuen Wohnsiedlung Ierst im zweiten Fünfjahresplan begonnen, d.h. ab 1954. Hier herrschte jedoch weiterhin das politische Diktat, nach Typen und streng festgelegten Normen zu bauen. Das Gelände der neuen Wohnsiedlung wurde auf dem Gelände des aufgelösten Truppenübungsplatzes am nordwestlichen Stadtrand in Anschluss an den Neubau des Gesundheitshauses und der Baustelle des Gebäudes des Bezirksnationalausschusses (heute Sitz der Polizei der Tschechischen Republik) errichtet. Die ursprüngliche Planungsdokumentation, die von dem verantwortlichen Projektanten Zikan unterzeichnet wurde, wurde von einer Zweigstelle des 1949 gegründeten Stavoprojekt Jihlava erstellt. Unter den Entwürfen weiterer Gebäude im Block von 1956 sind die Unterschriften der Architekten Jan Řídký und Jiří Schubert zu finden. Die Typenunterlagen wurden von Pozemní stavby Havlíčkův Brod zur Verfügung gestellt. Die Wohnsiedlung I. wurde bis 1960 fertiggestellt, insgesamt wurden dort 717 neue Wohnungen gebaut. Die einfache Lesbarkeit der Massen und die bescheidene Dekoration der Vorderseite im volkstümlichen Charakter drücken noch das Programm des sozialistischen Realismus aus, in dessen Ära der Block fällt. Der Ausdruck ist jedoch identisch mit seiner einfacheren, weniger dekorativern Variante, die sich nach 1954 durchsetzte, als der sowjetische Staatsmann Nikita Sergejewitsch Chruschtschow unnötige Verschwendung im Bauwesen scharf kritisierte.

In der ersten Phase wurde mit dem Bau einer Reihe von typisierten Wohnhäusern rund um die Straße Vrchlického bis zur Straße Zborovská begonnen. Nach und nach wurden die Arbeiten im Nordwesten fortgesetzt, wo sie durch eine Gruppe von Sozialeinrichtungen in den Straßen Evžena Rošického und Erbenova abgeschlossen wurden. Im ersten Teil wurde noch die klassische Methode des Mauerwerks angewandt, in der nächsten Phase wurden die zuvor hergestellten„Blockplatten“ aus Hohlziegeln verwendet. Die regelmäßige Disposition der Wohnungen entspricht dem gewählten Typ T13 mit drei, maximal vier Stockwerken. Die Wohnungen hatten zwei oder drei Zimmer, eine Küche und ein kleines Badezimmer. Das halbeingelassene Untergeschoss wurde als Keller, Kesselhaus und Atombunker genutzt. Die Anordnung der Häuser ist durch eine Blockbebauung mit halbgeschlossenen Innenblöcken, ein neu angelegtes Straßennetz, Grüngürtel und Gehwege gekennzeichnet. Die Fassade mit Fenstern und dem charakteristischen Brisolit-Putz, die von einem niedrigen Walmdach abgeschlossen wurde, wurde auf einen Steinsockel gesetzt. In der ersten Bauphase besaßen die Häuser noch Fenstergitter mit Bogenfries oder Sgraffito mit volkstümlichen Ornamenten, steinerne Portiken und flache Risaliten mit einer Markise über dem Eingang, die Balkone hatten Metallgeländer. Viele der dekorativen Elemente und der größte Teil des Brisolit-Putzes sind jedoch inzwischen unter der Wärmedämmung verschwunden.

Bereits seit den Anfängen der Zwischenkriegszeit umfasste das theoretische Konzept des Massenwohnungsbaus auch die Forderung nach grundlegenden öffentlichen Einrichtungen, d.h. die Bereitstellung von Schulen, Geschäften und medizinischer Versorgung. Im Rahmen des Baus der ersten Wohnsiedlung in Iglau diente das Gesundheitshaus als ambulantes Zentrum. Zwischen 1956 und 1958 wurde der Block um die von Jan Řídký entworfene Grundschule mit 23 Klassenzimmern in der Straße Evžena Rošického erweitert. Sie zeichnete sich wieder durch die typische Quadermasse eines dreistöckigen Gebäudes aus, das durch ein strenges Fensterraster, Portikuseingang und eine Attika auf dem Hauptgesims symmetrisch gegliedert wurde. Bald darauf wurde ein separates Nebengebäude mit einer Turnhalle, Speisesaal, Schulhort und Werkstätten sowie ein Kindergarten in der Straße Erbenova nach dem gleichen Konzept des gesamten Komplexes errichtet.

In ihrem strengen bis faden architektonischen Ausdruck erregt die Wohnsiedlung I. keine besondere Aufmerksamkeit. Trotzdem wurde sie für Iglau das bedeutendste und umfassendste Beispiel für den sozialistischen Realismus der 50-er Jahre. Der Block in Iglau entspricht der zeitgenössischen Form der Vorfertigung im Bauwesen, die damals landesweit eingeführt wurde und den gesamten Prozess billiger und schneller machen sollte. Im Vergleich zu den späteren Plattenbausiedlungen wurden hier der kleinere „menschliche“ Maßstab der Häuser, eine gute Kontinuität mit dem umgebenden Stadtblock und den Solitärhäusern sowie eine großzügige Grüngestaltung beibehalten.

JL
Literatur und sonstige Quellen 

Weitere Objekte auf dem Lernpfad