Věra Machoninová, geborene Větrovská, ist neben Alena Šrámková und Růžena Žertová eine Vertreterin der Generation tschechoslowakischer Autorinnen, die um 1930 geboren wurden und deren schöpferische Spur die heimische Architekturproduktion maßgeblich geprägt hat. Die Bauwerke, an denen sie während ihres Lebens beteiligt war und die bis heute zu den Höhepunkten der tschechoslowakischen Nachkriegsarchitektur zählen – sei es der Hotelkomplex Thermal in Karlovy Vary, der sich souverän in das Panorama der Kurstadt einfügt, oder das Kaufhaus Kotva, das wie eine Bienenwabe aus einzelnen sechseckigen Modulen zusammengesetzt ist und die komplexe Form des Grundstücks an der Grenze zwischen Alt- und Neustadt wirkungsvoll ausfüllt, oder das Haus der Wohnkultur (Dům bytové kultury) mit seiner technizistischen Cortenhülle – spiegeln in sich nicht nur die Einflüsse des internationalen Brutalismus wider, sondern auch den Sinn der Architektin für die Arbeit mit dem Kontext des Ortes und mit neuen Werkstoffen in ihrer ganzen Wahrhaftigkeit und aufregenden rohen Farbigkeit. Die Qualität des Werks von Věra Machoninová beschränkt sich nicht nur auf Außenräume, sondern dringt auch stark in Innenräume durch. Diese wurden in ihrer ursprünglichen Form in der Regel bis ins letzte Detail ausgearbeitet und mit Autorenmöbeln und Kunstwerken ausgestattet, die auf der Zusammenarbeit mit führenden tschechoslowakischen bildenden Künstlern beruhten.
Věra Machoninová wurde in Strakonice geboren und absolvierte dort die Grundschule. Nach dem Besuch des Realgymnasiums in Jičín entschied sie sich 1945, nach Prag zu übersiedeln, um an der Fakultät für Hochbau und Architektur der Tschechischen Technischen Universität zu studieren. Noch bevor sie ihr Studium 1952 abgeschlossen hatte, gelang es ihr, eine Stelle am Institut für Statik und Mechanik zu bekommen. Es folgte eine Anstellung beim Staatlichen Projektinstitut (Státní projektový ústav) in Prag, wo sie auf Veranlassung ihres Ehemannes Vladimír Machonin beschloss, die Idee der gleichzeitigen Planung und Durchführung von statischen Berechnung aufzugeben und sich ganz der Architektur zu widmen. Gleichzeitig bildeten sie mit Machonin ein starkes Autorenduo, das in den 50-er und 60-er Jahren regelmäßig auf den vorderen Rängen von Architekturwettbewerben erschien (z.B. 1. Preis im Architekturwettbewerb für das Kulturhaus in Iglau 1959, 1. Preis im Wettbewerb für das Internationale Hotel und Festivalkino in Karlovy Vary 1961). Im Jahr 1967, nach fünfzehn Jahren bei Stavoprojekt, welche die Autorin im Studio von Josef Gočár, Jaroslav Kándl, Karel Filsak und Pavel Bareš verbracht hatte, gründete das Ehepaar Machonin 1967 ihr eigenes Studio unter dem Namen Sdružení projektových ateliérů (Vereinigung von Projektstudios). Der Betrieb des Studios sowie die architektonische Arbeit des Ehepaares verhinderte jedoch der 21. August 1968. Die Vereinigung von Projektstudios wurde 1970 aufgelöst und alle seine Studios, darunter auch das Studio von Věra und Vladimír Machonin, mussten als Projektinstitut für den Ausbau der Hauptstadt Prag (Projektový ústav výstavby hlavního města Prahy) vereint werden, wo Věra Machoninová bis zum Jahr 1990 blieb. Wegen ihrer ablehnenden Haltung gegen den Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei wurde das Ehepaar Machonin nicht in den neu gegründeten Architektenverband aufgenommen und konnte somit nicht an Wettbewerben teilnehmen und publizieren. Die den Bauwerke, mit deren Bau nach 1968 begonnen wurde, wurden in den meisten Fällen noch vor dem Beginn der Normalisierung genehmigt.
Die Rückkehr zu einem privaten Studio konnte erst nach der Revolution erfolgen – das Architekturbüro Alfa s.r.o., das Machoninová 1991 gegründet hatte, musste sich jedoch ohne das kreative Schaffen von Vladimír Machonin behelfen. Die Jahre nach der Revolution brachten der Architektin eine neue Welle der Anerkennung durch die Fachöffentlichkeit (siehe z.B. die Auszeichnung der tschechischen Architektenkammer, 2014), Preise in Architekturwettbewerben und die Möglichkeit, die entworfenen Bauwerke umzusetzen. Allerdings sind viele ihrer Bauwerke aus den Jahren 1948–1989 in der Gegenwart einer Bedrohung im Zusammenhang mit unzureichendem Denkmalschutz für Nachkriegsarchitektur ausgesetzt. Während das Prager Kaufhaus Kotva nach jahrelangen Bemühungen 2019 zum Kulturdenkmal erklärt wurde, ist das Schicksal nicht nur des Hotels Thermal, dessen ursprünglichen Innenräume durch unbefugte Eingriffe bereits irreversibel beschädigt wurden, weiterhin unklar. Seit 2015 widmet sich die Initiative Respekt Madam dem Erhalt und der Popularisierung des architektonischen Erbes des Ehepaares Machonin, die von ihren Enkeln Marie Kordovská und Jan Kordovský gegründet wurde.
AB
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Architekt
Věra Machoninová -
Geburtsdatum
27. 9. 1928 Strakonice
Wohnhaus, U Průhonu 927/20, Praha 7–Holešovice, 1955
Haus von Otomar Krejča, Štursova 1073/9, Praha-Bubeneč, 1971
U-Bahn-Station Budějovická, Praha 4–Krč, 1974 (mit Břetislav Novák)
Kaufhaus Kotva, Náměstí Republiky 656/8, Praha-Staré Město, 1971–1975 (mit V. Machonin)
Hotelkomplex Thermal in Karlovy Vary, I. P. Pavlova 2001/11; 30, Karlovy Vary, 1968–1977 (mit V. Machonin)
Eigenes Familienhaus, Na Hřebenkách 620/58, Praha 5–Smíchov, 1968–1978 (mit V. Machonin)
Haus der Wohnkultur (Dům bytové kultury), Budějovická 1667/64, Praha-Krč, 1977
Gebäude der Auslandsvertretung der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik in der DDR, Wilhelmstraße 44, Berlin, 1970–1978 (mit V. Machonin)
Wohnheim des Betriebs Teplotechna in Prag, Ječná 243/39a, Praha 2 – Nové Město, 1978–1984
Literatura:
Petr Ulrich, Petr Vorlík, Beryl Filsaková, Katarína Andrášiová, Lenka Popelová, Šedesátá léta v architektuře očima pamětníků, Praha 2006, s. 186–195.
Přemysl Veverka, Cena za celoživotní dílo – Věra Machoninová, in: Obec architektů, Grand Prix obce architektů 2006, Praha 2006, s. 26–27.
Klára Pučerová, Pavel Směták, 60’/70’ Věra a Vladimír Machoninovi, Praha 2010.
Lukáš Beran, Pavel Směták, Věra a Vladimír Machoninovi, in: Vladimír 518 (ed.), Architektura 58–89, díl I., Praha 2022, s. 29–33.
Ostatní zdroje:
Marie Kordovská, Hotel Thermal a problém památkové ochrany staveb 2. poloviny 20. století, nepublikovaná bakalářská práce Katolické teologické fakulty Univerzity Karlovy, Praha 2015.
Daniela Brodcová, Respekt, madam. “Betonová” architektka Věra Machoninová slaví 90. narozeniny, https://www.irozhlas.cz/kultura/vera-machoninova-brutalismus-architektura-narozeniny-thermal_1809271033_dbr, vyhledáno 14. 9. 2022.
Marie Kordovská, Jan Kordovský, Machoninovi, http://respektmadam.cz/cs/machoninovi/, vyhledáno 17. 9. 2022.