Michael Angelo Picchioni wurde 1817 in einem norditalienischen Dorf als Sohn des Militäringenieurs Luigi Picchioni und Johanna geborene Huszar geboren. In den 20-er Jahren musste die Familie in die Schweiz emigrieren, wahrscheinlich wegen der anti-österreichischen Aktivitäten des Vaters. In Basel absolvierte der junge Picchioni 1834 das Gymnasium und ging dann nach Wien an die Genie-Akademie, um sich nach dem Vorbild seines Vaters zum Militäringenieur ausbilden zu lassen.
Unmittelbar nach seinem Studium arbeitete er für die Genietruppen, welche die für die Tätigkeit der Militäreinheiten erforderlichen Bauwerke errichtete. Außerdem unterrichtete er später Arithmetik, Algebra und Situationszeichnen an der Ingenieurakademie in Wien. Im Militär erfuhr Picchioni einen raschen Karriereaufstieg, 1850 wurde er Hauptmann in Wien und wechselte später in der gleiche Position nach mährisches Louka bei Znojmo. Gleichzeitig begann er hier, den Großgrundbesitz für die unmündigen Nachkommen der Witwe des verstorbenen Ritters Liebenberg von Zsittin, Katharina zu verwalten, die er 1851 heiratete. Seine militärische Karriere endete bald darauf in Salzburg, wo er 1856 den Rang eines Majors erreichte – ein Jahr später ging er in den Ruhestand, um sich der Arbeit auf seinem neu erworbenen Gut Český Rudolec zu widmen.
Zu Beginn der 50-er Jahre ist eine verstärkte Bautätigkeit Picchionis zu verzeichnen, die sowohl Bauwerke für militärische Zwecke als auch rein zivile Bauwerke und sogar einen Sakralbau umfasst. Dabei handelt es sich hauptsächlich um umfassende Umbauten oder Erweiterungen, für die Picchioni einen für seine Zeit aktuellen historisierenden Stil wählte, der sich vorwiegend auf die romanische und gotische Architektur stützte.
Die wohl erste Realisierung ist der heute teilweise nicht mehr existierende Anbau des Geländes für Stallungen und der Reithalle des Militär-Reitlehrer-Instituts in Wien (1850). Einen bedeutenderen Eingriff hinterließ Picchioni direkt im Komplex des ehemaligen Klosters in Louka bei Znojmo, das seine Frau Katharina noch vor ihrer Heirat zusammen mit dem angrenzenden Park und dem alten Schloss an die Staatskasse verkaufte. In das ehemalige Kloster zog später die Technische Militärakademie aus Wien, an der Picchioni unterrichtete. Ein Teil des alten Gebäudes wurde abgerissen und Picchioni entwarf einen vierflügeligen geschlossenen Offizierspavillon mit neugotischen Elementen (1853).
Der Schwerpunkt von Picchionis architektonischem Schaffen lässt sich ferner deutlich in Český Rudolec erkennen. Im Jahr 1860 wurde die Wasserfestung von einem Großbrand heimgesucht, woraufhin Picchioni vorschlug, sie in seinen Wohnsitz – ein Schloss im romantischen neugotischen Tudor-Stil umzuwandeln. Nicht weit von Český Rudolec entfernt, in der Gemeinde Mutná, befindet sich die letzte seiner großen Umbauten, die Erneuerung der Wallfahrtskirche Zur schmerzhaften Mutter Gottes genannt Montserrat (1865). Picchioni hingegen entschied sich bei diesem Projekt für die neoromanische Morphologie. Des Weiteren entwarf er zum Beispiel eine Villa für den Kapitän Karel Raynoch und seine Frau Leopoldina in Iglau (1880). Es ist jedoch wahrscheinlich, dass es noch viele weitere realisierte Bauwerke von Picchioni gibt. Sie wurden jedoch noch nicht gründlich kartiert bzw. es wurden keine Belege für seine Autorenschaft gefunden.
In den Jahren außerhalb des Wehrdienstes war Picchioni in Politik, Wirtschaft und Kultur sehr aktiv. Für seine Verdienste erhielt er 1874 zunächst den Orden der Eisernen Krone dritter Klasse und ein Jahr später wurde er von Kaiser Franz Joseph I. zum Ritter geschlagen. Er starb 1891 in Ljubljana und ist in Český Rudolec begraben.
LVo
-
Militäringenieur
Michael Angelo Picchioni -
Geburtsdatum
15. 11. 1817 Borgo san Siro -
Todesdatum
6. 2. 1891 Ljubljana
Gelände für Stallungen und die Reithalle des Militär-Reitlehrer-Instituts, Ungargasse 62, Wien, 1850, nicht erhalten
Offizierspavillon, Loucká 3055/28, Znojmo, 1853
Schloss Český Rudolec, Český Rudolec 1, 1860
Wallfahrtskirche Zur schmerzhaften Mutter Gottes genannt Montseratt, Mutná 45, 1858–1865
Raynoch-Villa, Dvořákova 1924/11, 1880
Literatura:
Český Rudolec, in: Emanuel Poche (ed.), Umělecké památky Čech 1 (A/J), Praha 1977, s. 229–230.
Ostatní zdroje:
Lucie Měrtlová, Český Rudolec ve 20. století, nepublikovaná diplomní práce Katedry společenských věd Pedagogické fakulty Jihočeské univerzity, České Budějovice 2009, s. 61.
Eva Smržová, Zámek Český Rudolec: stavební historie a uměleckohistorické souvislosti, nepublikovaná bakalářská práce Ústavu věd o umění a kultuře Filozofické fakulty Jihočeské univerzity, České Budějovice 2020, s. 64–74.
Tereza Hamzová, Osudy klášterního areálu Louka ve Znojmě po zrušení premonstrátské kanonie, nepublikovaná bakalářská práce Katedry dějin a didaktiky dějepisu Pedagogické fakulty Univerzity Karlovy, Praha 2022, s. 39–42.
http://www.architektenlexikon.at/de/1206.htm, vyhledáno 29. 12. 2022.
Kostel Panny Marie Bolestné (Mutná) wiki | TheReaderWiki, vyhledáno 29. 12. 2022.
https://www.malahluboka.cz/zamek/, vyhledáno 29. 12. 2022.