Stonařov (Stannern)

   
  • Autor

  • GPS

    49°16'40.075"N, 15°35'3.511"E, Herunterladen GPX oder KML

In der Vergangenheit bildete die Gemeinde Stonařov (Stannern) den südlichen Punkt der so genannten Iglauer deutschsprachigen Insel, deren natürliches Zentrum die Stadt Iglau war. Stonařov liegt im Hügelland Brtnická vrchovina, einem Teil des Berglands Křižanovská vrchovina, das wiederum Teil der Böhmisch-Mährischen Höhe ist. Durch die Gemeinde fließt der kleine Fluss Jihlávka. Unweit von Stonařov verlief der Haberner Handelspfad. Laut Stanislav Vohryzek ist Stonařov eine der ältesten Siedlungen in der Region Iglau, die bereits in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts gegründet wurde. Gegründet wurde die Gemeinde wahrscheinlich von dem Kammerherr Stonař, vermutlich aus dem Geschlecht Ranožirov. Diese Hypothese basiert jedoch nur auf indirekten Quellen.

Die Entstehung und Entwicklung der deutschen Gemeinde Stonařov war eng mit der Entdeckung von Silbererzen im zweiten Drittel des 13. Jahrhunderts in der Nähe der heutigen Stadt Iglau und mit dem Zuzug von Bergleuten aus deutschen Ländern verbunden, insbesondere aus dem Gebiet des heutigen Niederösterreich. Im Zentrum von Stonařov steht die aus Bruchsteinen gebaute St.-Wenzel-Kirche. Der älteste Teil des Chors stammt bereits aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurde ein Turm an die Kirche angebaut. In der Nähe der Kirche steht eine kleine romanische Rotunde – ein Kerner, der im 17. Jahrhundert der Dreifaltigkeit geweiht wurde.

Bereits 1365 wird Stonařov als eine kleine Stadt erwähnt, womit eine Reihe von Privilegien verbunden war. Zum Beispiel fand hier jedes Jahr ein Jahrmarkt statt. Die mittelalterliche Gemeinde Stonařov kann als landwirtschaftliche und handwerkliche Gemeinde charakterisiert werden, in deren Wirtschaft die Fischzucht eine relativ wichtige Rolle spielte, wie die vielen dokumentierten Teiche in der Stadt und ihrer Umgebung zeigen. Eine Urkunde von 1534 bezeugt, dass sich auf dem Gebiet von Stonařov zwei Herrenhäuser befanden. Die Festung Hirschbügel stand auf dem zentralen Hügel, umgeben von einem Graben,einer Form der Befestigung, an der Stelle des Gartens des Hauses Nr. 52. Sie wurde jedoch bereits 1480 als öde beschrieben und existiert heute nicht mehr. Nach Ladislav Vilímek befand sich die jüngere, ebenfalls 1531 erwähnte Festung auf dem Gelände hinter der St.-Wenzel-Kirche, auf einer langgestreckten Anhöhe, die von drei Seiten vom Fluss Jihlávka umgeben ist. Diese Theorie wird durch Krzaupals Katasterkarte von Stonařov von 1778 gestützt, auf der die Festung als ein Gebäudekomplex mit einem zentralen, mit der Nummer 29 gekennzeichneten und durch eine Mauer geschützten Bauwerk dargestellt ist.

Die starke Vorherrschaft der deutschen Bevölkerung, die Stonařov seit seiner Gründung begleitet, zeigte sich noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als sich zur Zeit der Gründung des unabhängigen tschechoslowakischen Staates 1918 neunzig Prozent der Bevölkerung in Stonařov zur deutschen Nationalität 1921 und 65 Prozent 1940 bekannten. Eine tschechische Minderheit war hier jedoch immer anwesend. Das Zusammenleben der tschechischen und deutschen Bevölkerung nicht nur in Stonařov, sondern in der gesamten Iglauer Sprachinsel, begleitete bis Mitte des 19. Jahrhunderts keine Nationalitätenkonflikte. Nach 1848 wuchs jedoch in ganz Europa als Folge der industriellen Revolution, des steigenden Lebensstandards und der politischen Emanzipation der Nationalismus, der sich auf eine gemeinsame Sprache, gemeinsames Gebiet und gemeinsame Traditionen stützte.

Im Gegensatz zu Iglau war Stonařov von den ersten Wellen des Nationalismus nicht allzu sehr betroffen. Die Atmosphäre in der Gemeinde wurde jedoch durch die Machtübernahme Adolf Hitlers in den 30-er Jahren des 20. Jahrhunderts grundlegend verändert. Nach der Gründung der sogenannten Zweiten Republik im Herbst 1938 radikalisierte sich der deutsche Teil der Bevölkerung in Stonařov allmählich. Am 13. im März 1939 griffen die Deutschen die tschechische Gendarmeriestation in der Gemeinde an und während des Gefechts erschoss die Gendarmerie den Gastwirt Hans Matejka. An seiner Beerdigung nahmen am 17. März 1939 führende Nazifunktionäre teil, darunter Emanuel Sladek, Kommandeur der Iglauer Einheiten der Algemeinen SS und Initiator des Brandes der Iglauer Synagoge und Arthur Seyß-Inquart, der aus Stonařov stammte, ein glühender Befürworter des Anschlusses Österreichs, kurzzeitig auch österreichischer Kanzler und vor allem Reichskommissar für besetztes Niederlande, wo er für seinen Terror gegen die lokale Bevölkerung und seine Unterstützung bei der Plünderung des Landes berüchtigt wurde. Nach dem Krieg standen beide vor Gericht – Seyß-Inquart vor dem Nürnberger Tribunal – und beide wurden hingerichtet. Dem Zeitzeugen Miloslav Steiner zufolge hieß Seyß-Inquart ursprünglich Arthur Zajtich und erst später verschönerte er seinen Namen aufgrund seiner Karriere im Dritten Reich.

Die so genannten Beneš-Dekrete führten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zur Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus dem Gebiet der Tschechoslowakei, einschließlich der deutschen Bürger aus Stonařov. Hunderte von Deutschen starben während ihrer vorübergehenden Internierung im Sammellager Stonařov und wurden anschließend in einem Massengrab an der Mauer des Friedhofs in Stonařov begraben. In den folgenden Jahren wurden diese schmerzhaften Ereignisse tabuisiert. Erst nach 1989 gab es in den deutsch-tschechischen Beziehungen Ansätze zu gegenseitiger Versöhnung, Verständnis und Respekt, was auch für Stonařov gilt. Im Juni 2016 wurde nämlich in der Nähe des Massengrabs an der Mauer des Friedhofs in Stonařov eine Gedenktafel enthüllt, die an die im dortigen Sammellager Verstorbenen erinnert. Zum ersten Mal seit mehr als siebzig Jahren fand in der St.-Wenzel-Kirche eine gemeinsame deutsch-tschechische Messe statt. Sie brachte damit Hoffnung für die künftige Freundschaft der Nachkommen beider Nationen, deren Wurzeln mit Stonařov verflochten sind.

MS

Objekte auf der Route