Arbeitslager des Hitlerjugendheim-Landdienstes in Stonařov (Stannern)

 
  • Name

    Arbeitslager des Hitlerjugendheim-Landdienstes in Stonařov (Stannern)
    Alte Turnhalle in Stonařov (Stannern)
  • Adresse

    Stonařov, Iglau
  • Datierung

    1940
  • Route

  • Kode

    47V
  • GPS

  • Typ

    Internat
  • Denkmalschutz

    das Verfahren zur Erklärung des Gebäudes zum Kulturdenkmal wurde eingeleitet

Ein wenig bekanntes Kapitel in der Geschichte des Protektorats Böhmen und Mähren stellen die sogenannten Arbeitslager für deutsche Kinder und Jugendliche dar. Im Rahmen des von der deutschen Regierung genehmigten Projekts „Erweiterte Kinderlandverschickung“, kurz KLV, wurden 1940–1942 im Protektorat Böhmen und Mähren Lager für deutsche Kinder aus dem Reich eingerichtet. Dies geschah vor allem aus dem Wunsch heraus, den deutschen Kindern in einer Zeit, in der die Bevölkerung vom Luftkrieg bedroht war, mehr Sicherheit zu bieten. Das Protektorat wurde vom NS-Regime als sicherere und relativ friedlichere Umgebung angesehen. Die Nazis legten auch Wert auf die Umerziehung von Kindern im Sinne der damaligen nationalsozialistischen Propaganda. Parallel zum KLV-Projekt gab es ähnliche Projekte für deutsche Jugendliche.

Im Laufe des Jahres 1940 wurden in Stonařov zwei Arbeitslager errichtet – eines für deutsche Mädchen und eines für Jungen. Im Herbst 1940 entstand auf dem Hügel Hirspel (Hirschhügel) ein Jungenlager in einem separaten Holzhaus (Heim) unter der Schirmherrschaft des deutschen Hitlerjugend-Landdienstes. Das Mädchenarbeitslager wurde vom deutschen Reichsarbeitsdienst (RAD) errichtet und betrieben. Das inzwischen aufgelöste RAD-Mädchenlager stand auf dem Hügel hinter dem Haus Nr. 8. Das Jungenheim, das heute als Turnhalle bekannt ist, steht bis heute. Es handelt sich um ein Holzgebäude mit rechteckigem Grundriss, das auf einer Steinuntermauerung errichtet wurde. Die Konstruktion der Wände besteht aus Balken, die außen und innen mit dicken, senkrecht genagelten Brettern vernagelt sind, die Decke ist ebenfalls aus Balken, das Gebäude hat ein Giebeldach, das mit einem keramischen Biberschwanz gedeckt ist. Auf der Südseite ragt eine regelmäßige Reihe von fünf Gauben aus dem Dach hervor, auf der Nordseite nur eine. Auch in den Innenräumen wurde Holz verwendet, mit Ausnahme der gemauerten Schornsteine und Öfen. Das Gebäude hat zwei Stockwerke, ein Stockwerk im mittleren Teil mit einem genutzten Dachboden. Die ursprünglichen Fenster werden von der vorspringende Laibung eingerahmt. An einigen Fenstern sind die ursprünglichen Holzfensterläden erhalten geblieben.

Das Gebäude kann als typische nationalsozialistische Architektur der 30-er bis 40-er Jahre des 20. Jahrhunderts bezeichnet werden, die im so genannten Heimatstilerrichtet wurde, der sich durch die Verwendung traditioneller Werkstoffe und Formen der lokalen deutschen Architektur auszeichnet. Das Ziel des Projektants war es zweifellos den Eindruck eines Landhauses in der Landschaft zu erwecken. Die Bauwerke im Heimatstilwaren Ausdruck des Widerstands gegen die modernistischen Stadtbauten, die im zweiten Drittel des 20. Jahrhunderts in den europäischen Ländern, einschließlich der Tschechoslowakei, errichtet wurden. Die Einrichtung des RAD-Mädchenlagers ähnelte wahrscheinlich der des Jungenlagers. In der Kriegszeit wurden viele ähnliche Gebäude errichtet, aber nur das Lager in Vysoká ist offenbar auf dem Gebiet von Vysočina außer in Stonařov erhalten geblieben.

Deutsche Kinder in Stonařov halfen im Haushalt und bei der Ernte auf den Feldern. Eines der Ziele ihrer Lager war die Vermittlung praktischer bäuerlicher Fertigkeiten, ein anderes die Erziehung im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie. Das Hitlerjugendheim in Stonařov verfügte ursprünglich über einen Saal im Erdgeschoss, Raum für den Gruppenleiter, Waschraum und Schlafsäle im ersten Stockwerk. Das Gebäude wird von Norden betreten, in der Eingangshalle ist der ursprüngliche Fußboden noch erhalten. Nach den Erinnerungen der Zeitzeugin Hermína Musilová, geborene Schebestová, die sie der Forscherin Veronika Vohralíková zur Verfügung zur Verfügung stellte, waren im Jungenlager die Jungen zwischen 15 und 16 Jahren und im Frauenlager die Mädchen um die 20 Jahre alt. Sie kamen nur wenig mit den Einheimischen in Kontakt und trafen sich nur bei der Arbeit auf den Feldern und in den Ställen und es gab keine Spannungen zwischen ihnen und den Einheimischen.

Zur Zeit der Einrichtung der beiden deutschen Jugendlager wurde im Dorf auch ein Klubhaus für die örtliche Hitlerjugend errichtet. Heute befindet es sich im Besitz eines privaten Eigentümers. Die Innendisposition und das Aussehen des Gebäudes sind uns nicht bekannt; der Eigentümer wünscht keine Besuche von Forschern. Mit seinem äußeren Erscheinungsbild, der Steinverkleidung und dem hohen Bogendach erinnert das Klubhaus an das Gebäude der ehemaligen Hitlerjugendschule im Waldpark Heulos in Iglau, das heute Hrádek genannt wird. Die Beziehung zwischen dem Gebäude in Stonařov und dem Iglauer Gebäude konnte bisher nicht zuverlässig geklärt werden. Kurz nach Kriegsende, am 30. 6. 1945, starb vor dem Gebäude des ehemaligen Klubraums Vilém Bardas, ehemaliger Hauptkommissar des Amts in Iglau. Die Fakten über seinen gewaltsamen Tod wurden von den Forschern Jiří Vybíhal und Ladislav Plavec aufgedeckt. Es heißt, Bardas sei von tschechischen Spitzeln ermordet worden, weil diese befürchteten, dass ihre kollaborativen Aktivitäten aufgedeckt würden.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die deutschsprachige Bevölkerung der Sprachinsel Iglau vertrieben. Es wurden Internierungslager eingerichtet, in denen sich die auf den Transport wartenden Bürger versammelten. In den meisten Fällen handelte es sich um erschöpfende Fußmärsche mit vielen Opfern. Die Gebäude des ehemaligen RAD-Mädchenlagers und das ehemalige Klubhaus der Hitlerjugend dienten ebenfalls als Internierungslager. Nach den Erinnerungen der Zeitzeugin Josefa Šánová, geborene Pryclová, starben im Lager Dutzende von Menschen, vor allem Kinder, alte und kranke Menschen.

Das ehemalige Jungenlager wurde 1948 in eine Schulturnhalle umgewandelt. Generationen von Bürgern aus Stonařov und den umliegenden Dörfern haben sie dann durchlaufen. Im Jahr 2020 wurde neben der Schule eine neue Sporthalle gebaut, wodurch das Gebäude des Lagers ungenutzt blieb. Die Gemeinde Stonařov wollte es abreißen, woraufhin eine Protestpetition eingereicht wurde. Seit 2021 läuft ein Verfahren des Kulturministeriums über die Erklärung des Lagers zum Kulturdenkmal. Es ist ein einzigartiger Beleg der nationalsozialistischen Bautätigkeit in den 40-er Jahren, der in nahezu authentischer Form erhalten ist. Mit dem alten Gebäude der tschechischen Minderheitenschule verbindet es eine gemeinsame bewegte Vergangenheit. Daher sieht der Antrag auf Denkmalschutz den gemeinsamen Schutz beider Gebäude vor. Beide sind in der Lage, an eine komplexe und für viele schmerzhafte Vergangenheit zu erinnern und haben das Potenzial, ein Ort der Versöhnung zwischen der tschechischen und der deutschen Nation zu werden.

MS

Literatur und sonstige Quellen 

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