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Name
Lidická kolonie, Familienhäuser -
Adresse
Lidická kolonie, Iglau -
Datierung
1939–1941 -
Autoren
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Route
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Kode
04C -
GPS
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Typ
Miethaus, Villa, Einfamilienhaus -
Denkmalschutz
Ohne Schutz
Mit dem Einzug der nationalsozialistischen Besatzungstruppen am 15. März 1939 und der Errichtung des Protektorats Böhmen und Mähren begann sich die Planung der zukünftigen Entwicklung von Iglau radikal zu ändern. Dies hing mit der zentralen Funktion der Stadt auf der deutschsprachigen Insel sowie mit der Tatsache zusammen, dass die deutschsprachigen Bewohner von Iglau das deutsche Militär meist als Befreier wahrnahmen, was zu einem starken Wunsch führte, die Stadt im Geiste der nationalsozialistischen Architektur zu bauen. So erließ die Stadtverwaltung bereits 1940 ein Verbot für den Bau neuer Häuser mit Flachdächern, die für die tschechischen modernen Gebäude der damaligen Zeit typisch waren.
In Iglau herrschte seit langem Wohnungsmangel. Der Regierungskomissar für Iglau Leo Engelmann nannte die Situation sogar eine Wohnungskatastrophe und versprach, schnell Abhilfe zu schaffen. Als erstes Projekt wurde der Bau einer Mustersiedlung im Süden von Iglau in Angriff genommen. Der Ortsname Zur Sonne(Na Slunci)wurde von den deutschen Verwaltern der Stadt gerne angenommen, ganz im Sinne des nationalsozialistischen Mythos einer fiktiven Sonnenrasse der Arier.
Das Projekt sah 73 Einfamilienhäuser, 24 Doppelhäuser und 34 zweistöckige Wohnhäuser vor, wie aus der erhaltenen Zeichnung der Wohnsiedlung vom 13. November 1939 hervorgeht. Daraus geht hervor, dass durch das Zentrum der Siedlung eine breite Straße führen sollte, die mit einem großen zentralen Bereich und einem Gemeinschaftshaus in der Mitte endete. Unter Zeitzeugen kursierte die Spekulation, dass dieses Haus die Form eines Hakenkreuzes haben sollte. Dem widerspricht jedoch ein Plan der Siedlung in der Lokalzeitung Mährischer Grenzbote.
Am 19. August 1939 fand um 16 Uhr in Anwesenheit des Ministers ohne Geschäftsbereich und Schirmherrn des Projekts Arthur Seyss-Inquart der feierliche Aushub für die neue Mustersiedlung Na Slunci statt. Viertausend Menschen, darunter hiesige NS-Funktionäre, der Bezirkshauptmann Karl Koblischek, der regionale NSDAP-Leiter Raimund Siegel und der Bürgermeister von Iglau Leo Engelmann sahen zu. Jochem Tootsmann, Vorsitzender der Wohnungsbaugesellschaft Iglau, kündigte damals an, dass hier innerhalb von sechs Monaten das erste Wohnhaus gebaut werden soll. In der ersten Phase wurde mit dem Bau von 90 Wohnungen begonnen, die tatsächlich fristgerecht fertiggestellt wurden. Die Bauprojekte für Wohnhäuser arbeiteten die Architekten Anton Endler und Adalbert Teschner aus, mit der Bauaufsicht wurde vom Rasse- und Siedlungshauptamt in Berlin Jochem Tootsman beauftragt. Typenunterlagen für die niedrigen Häuser lieferte 1939 Otto Scholz, für die eingeschossigen Reihenhäuser 1941 der Brünner Architekt František Kalivoda.
Bis Ende 1941 wurde jedoch nur ein Bruchteil des Plans verwirklicht. Für das Projekt gab es keine Finanzmittel mehr, die das NS-Regime in die Kriegsführung gesteckt hatte. Für den fertiggestellten Teil des Baus beschaffte der Bürgermeister Engelmann ein zinsgünstiges Darlehen in Höhe von 5 Millionen Kronen. Das Darlehen wurde später auf 10 Millionen erhöht und ein Haus für eine Familie sollte 50 bis 60 Tausend Kronen kosten.
Die Bauwerke der Wohnsiedlung Na Sluncilassen sich stilistisch als Heimaitstil beschreiben, der typisch für die nationalsozialistische Wohnarchitektur der 1930-er und 1940-er Jahre war. Beispiele dafür finden sich bei uns insbesondere in Gebieten mit einer bedeutenden deutschen Mehrheit. DerHeimatstilzeichnete sich durch Bauwerke im ländlichen Stil aus, die den Vorstellungen der Nationalsozialisten von der idealen deutschen Landschaft entsprechen sollten. Zu ihren typischen Merkmalen gehörten hohe Satteldächer mit Gauben und massiven Schornsteinen. Die Giebel der Häuser mit ihren Holzverkleidungen imitieren Fachwerkbauten. Die schlichten Fassaden werden dann mit einer charakteristischen Steinverkleidung mit segmentförmigem Bogen und hölzernen Fensterläden verziert.
Die Wohnhäuser aus der ersten Bauphase entlang der heutigen Straße Znojemská wurden von ihren Projektanten als unterkellerte, eingeschossige Häuser mit Dachgeschoss und jeweils mit zwei Wohnungen mit einer Fläche von 52 m² im Erdgeschoss und im ersten Stockwerk entworfen. Das Dachgeschoss diente als Dachboden. Der unterste Teil war unterteilt in Keller, gemeinsame Waschräume und Luftschutzkeller. Die Architekten platzierten das Treppenhaus im mittleren Flügel. Die Fassaden der Häuser sind schlicht, nicht verziert, nur mit einer akzentuierten Verkleidung aus doppelflügeligen Scheibenfenster. Das Dach hat eine hohe Sattelform, aus dem Gauben und Schornsteine herausragen.
Im Inneren waren die niedrigen, eingeschossen Häuser in Kellergeschoss, Erdgeschoss und ein Wohndachgeschoss unterteilt. In den Kellern befanden sich ein Luftschutzkeller, Waschräume und Ställe. Im Erdgeschoss befanden sich ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer und eine Küche, während das Dachgeschoss kleine Kammer enthielt. Die hohen Dächer waren mit gebrannten gerillten Ziegeln verkleidet, die Giebel hatten eine Holzverkleidung. Die hölzernen Fensterläden waren oft mit volkstümlichen Motiven verziert.
Die niedrigen Einfamilienhäuser erhielten die Form eines einfachen Würfels. Die Doppelreihenhäuser waren jedoch unterschiedlich groß und mit einer Untermauerung aus Stein miteinander verbunden. Zu den Bewohnern der Kolonie gehörten zum Beispiel Franz Wehrmann und Ernst Schenk, die beide zu verschiedenen Zeiten Kommandanten der Hitlerjugend in Iglau waren.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die deutschen Einwohner von Iglau vertrieben, darunter auch die Nutzer der Wohnsiedlung Na Slunci. Zum Gedenken an die Opfer der Heydrichiade erhielt die Siedlung den Namen Lidická kolonie. Die neuen Eigentümer bauten die Häuser nach und nach um, nur wenige sind in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten geblieben. Nur die unverwechselbaren hohen Satteldächer und Dachgauben sowie die erhaltenen hölzernen Fensterläden einiger Häuser erinnern an den Heimatstil. Heute betrachten wir die Kolonie als ein interessantes Zeugnis der Architektur des Protektorats und einer tragischen und schmerzhaften Zeit, die das Schicksal vieler Tschechen und Deutscher unwiderruflich veränderte.
MS
Literatura:
Zdeněk Jaroš, Karel Křesadlo, Jihlava: kulturně historický průvodce městem, Jihlava 1996, s. 94.
Jiří Vybíhal – Vilém Wodák, Jihlava pod hákovým křížem, Pelhřimov 2009, s. 249–251.
Ostatní zdroje:
Státní okresní archiv Jihlava, stavební archiv čp. 167, 175, 176.
Archiv města Jihlavy od roku 1849, prezidiální registratura, katalogové číslo 1972, 2687.
Veronika Vohralíková, Hrádek a další veřejné stavby na Jihlavsku v době protektorátu, nepublikovaná bakalářská práce Katedry dějin umění Filozofické fakulty Masarykovy univerzity, Brno 2021, s. 39–49, https://is.muni.cz/th/sndaq/Bakalarska_prace_Vohralikova_Veronika.pdf, vyhledáno 29. 4. 2023.
Jana Laubová, Architektura Jihlavy 1900–2009, nepublikovaná diplomová práce Katedry dějin umění Filozofické fakulty Univerzity Palackého, Olomouc 2009, s. 60–61, https://theses.cz/id/toixdm/16498-846374295.pdf, vyhledáno 29. 4. 2023.