Gebäude der Turnbewegung Sokol

   
Der Turnverein Sokol in Iglau wurde 1892 gegründet. Im Jahr 1924 eröffnete er einen kleinen Sommerübungsplatz an der Ecke der Straßen Tolstého und Tyršova (früher Sadová) in der Nähe der Parkanlage Smetanovy sady (vormals Městské sady), an der Stelle des heutigen Gebäudes „Malý zimáček“ der Eissporthalle Horácký zimní stadion. Im Jahr 1927 wurde der Verein für den Bau des Sokol-Hauses in Iglau gegründet. Kurz darauf kauften die Sokol-Mitglieder ein angrenzendes Grundstück mit Lagerhallen von der Tabakfabrik gegenüber dem Justizpalast und begannen mit der Vorbereitung des Architekturwettbewerbs für den Bau des Gebäudes auf dem erweiterten Übungsplatz. Von Anfang an war klar, dass das Gebäude im Sinne der Sokol-Idee der körperlichen und geistigen Ertüchtigung dienen sollte, d.h. es sollte als Turnhalle und Gesellschaftsraum mit Kino genutzt werden. Pragmatisch gesehen sollte das Kino zur weiteren Bautätigkeit des Turnvereins Sokol beitragen.

Im Jahr 1930 schrieb der Iglauer Sokol-Verein einen Architekturwettbewerb für die Ausarbeitung des Entwurfs aus. Es ist nicht uninteressant, dass das einzige externe Mitglied des Auswahlausschusses zunächst der Brünner Architekt Bohumír František Antonín Čermák sein sollte, der kurz zuvor an der Gestaltung der Inneneinrichtung des chirurgischen Pavillons des Krankenhauses in Iglau mitgewirkt hatte. Nach Kritik seitens des Vereins tschechischer Ingenieure und Architekten SIA wurde er jedoch aus der Kommission ausgeschlossen. In letzter Minute wurde Josef Gočár, der damalige Rektor der Akademie der Bildenden Künste in Prag, zu diesem Amt ernannt. Insgesamt kamen 25 Wettbewerbsentwürfe von Architekten aus der gesamten Tschechoslowakei zusammen, von denen leider keiner erhalten geblieben ist. Gewonnen hat der Entwurf des Brünner Architekten Bohuslav Fuchs, der das dreistöckige Gebäude auf einem L-förmigen Grundriss in der Ecke des Übungsplatzes an der Straßenecke mit dem Haupteingang in die ruhigere Straße Tyršova platzierte. Das dreistöckige Gebäude mit einer tragenden Konstruktion aus Stahlbeton in zwei Flügeln trennte in seinem Inneren sportliche und gesellschaftliche Nutzung. Anschließend entwickelte der Architekt den Entwurf in mehreren Varianten mit Rücksicht auf die Einsparung der bebauten Fläche des abgegrenzten Übungsplatzes weiter. Nach all den Widrigkeiten bei der Ausschreibung des Wettbewerbs wurde das Projekt von Fuchs von 1930 schließlich nicht realisiert. Von Anfang an stieß er nämlich auf dem ausgewählten Grundstück mit dem Sommerübungsplatz auf die Tücken des Platzmangels.

Im Jahr 1931 erwarb der Verein für den Bau des Sokol-Hauses ein günstigeres Grundstück auf der gegenüberliegenden Seite der Straße Tyršova. Es handelte sich um den Garten mit dem Haus von MUDr. Leopold Fritz, Mäzen und Anführer der tschechischen Gemeinschaft in Iglau und Mitbegründer des Vereins Sokol in Iglau. Aufgrund der Wirtschaftskrise verzögerten sich jedoch weitere Fortschritte bis zum Jahr 1935. Die Sokol-Mitglieder wandten sich erneut an Bohuslav Fuchs, der eine kompakte Masse eines dreistöckigen, teilweise unterkellerten Gebäudes mit Hauptsälen in den darüber liegenden Stockwerken entwarf. Die Grundsteinlegung des neuen Gebäudes der Vereins Sokol begleitete am 23. Juni 1935 eine große Feier. Der Auftrag für den Bau wurde an die Brünner Niederlassung der Baufirma Václav Nekvasil vergeben. Das Betriebsschema gliederte das Gebäude in drei Trakte – einen niedrigeren, vorspringenden Kubus an der nördlichen Stirnseite mit Einrichtungen, einen segmentweise überdachten breiten Trakt mit zwei Hauptsälen und eine westliche Seitenmasse mit einem Seiteneingang in den Saal und in die Wohnung der Vorständin. Bautechnisch handelt es sich um ein Stahlbetonskelett mit unverputzter Auskleidung aus Blankziegeln und großen Fensterflächen. Der Architekt setzte in die Gebäudeecke einen Treppenrisalit mit vollverglaster Stirnseite als akzentuierendes Element ein. Ein Teil des Risalits wird auf schlanken Pfeilern bis in das obere Stockwerk getragen; an der Westseite verläuft eine überdachte Unterführung. Die getrennten Betriebe des Kinosaals und der Turnhallen mit Einrichtungen hatten separate Eingänge auf der Frontseite in die Straße Tolstého, die durch eine vorgelagerte Markise abgeschirmt waren. Wahrscheinlich hat Fuchs auch Accessoires für die Inneneinrichtung entworfen, wie zum Beispiel die Hängeleuchten im Kinosaal. An der westlichen Wand des Treppenrisalits war die Aufschrift SOKOL angebracht, das Kino lockte mit einer seitlichen Neonwerbung. Die Gesamtkosten für den Bau betrugen 1.190.559 Kronen.

Die feierliche Eröffnung des neuen Sokol-Gebäudes fand am 31. Mai 1936 statt. Das Kino Stadionwar seit dem 26. Oktober 1935 in Betrieb, als es mit der Vorführung des Films Maryša eröffnet wurde. Das Projekt von Fuchs sah den nachträglichen Anbau eines separaten Gebäudes mit einem Café entlang der Straße Tolstého vor, das durch eine erhöhte Verbindungsbrücke im oberen Stockwerk mit der Ostseite des Eingangsteils des Sokol-Gebäudes verbunden werden sollte. Diese Absicht wurde jedoch nie mehr umgesetzt. Nach der Besetzung von Iglau 1939 erlebte der Verein Sokol eine schwere Zeit, viele seiner führenden Mitglieder wurden verhaftet und in Konzentrationslager gebracht. Im April 1941 wurde die Turnbewegung Sokol aufgelöst. Nach dem Krieg dachte der wiederhergestellte Verein erneut daran, das Sokol-Gebäude zu erweitern und ein Kurbad, Winterschwimmbad zu errichten und weitere Umgestaltungen des Übungsplatzes vorzunehmen, doch die weitere Entwicklung machte ihre Pläne zunichte. Nach der Auflösung von Sokol 1952 wurde das Sokol-Haus in die Verwaltung des Turnvereins TJ Tatran, anschließend der Turnvereine TJ Dynamo und TJ Modeta überführt. Vermutlich wurde in den 50-er Jahren, als das Kino für die Breitwandprojektion umgebaut wurde, ein Korridor im Erdgeschoss entlang der östlichen Außenmauer mit einem zusätzlichen Eingang von der Frontseite angebaut, der einen seitlichen Zugang zum Saal ermöglichte und die Leinwand auf Kosten der ursprünglichen Seiteneingänge vom Foyer erweiterte. Gleichzeitig wurde die charakteristische eiserne Außenspindeltreppe zum Vorführraum durch einen gemauerten Treppenanbau ersetzt. Spätere Umbauten brachten weitere Veränderungen mit sich, wie die Trennung des Haupteingangs von der Risalittreppe oder den schrittweisen Austausch der Fenster. In den Innenräumen sind jedoch einige der ursprünglichen Türverkleidungen mit Beschlägen, Teile der Geländer, Terrassentreppen und rote Xylolith-Beschichtungen der Treppenhäuser bis heute erhalten geblieben. Während des Kriegs wurde das Kino kurzzeitig in Viktoria umbenannt und von den späten 50-er bis in die 90-er Jahre war es unter dem Namen Panoramain Betrieb. Das Kino Sokol stellte 2008 seinen Betrieb ein und wurde nach dem Entwurf des Studios OK PLAN ARCHITECTS aus Humpolec von 2009 für die Bedürfnisse des Betriebs des Theaters der offenen Türen DIOD angepasst.

Das Sokol-Gebäude in Iglau dient seinem ursprünglichen Zweck bis heute und stellt das bedeutendste funktionalistische Gebäude der Zwischenkriegszeit in der Stadt dar.

JL
Literatur und sonstige Quellen 

Weitere Objekte auf dem Lernpfad