Getreidelager der Deutschen Lagerhaus- und Wirtschaftsgenossenschaft für Štoky und Iglau

   
Mechanisierte Getreidespeicher sind nach wie vor ein unübersehbarer und fast allgegenwärtiger Beweis für die Entwicklung und den hohen Organisationsgrad der landwirtschaftlichen Selbsthilfegenossenschaften und des hohen Niveaus des Landbaus. Das Getreidelager in Iglau für 150 Waggons wurde Anfang 1928 feierlich an die Genossenschaften übergeben. Es wurde von der Brünner Baufirma des Ingenieurs Johann Theimer (1872–1941) nach einem Projekt seines Sohnes, des Architekten Alfred Theimer (1896–?), Mitglied des Berufsverbandes Deutscher Architekten (B. D. A.) ausgeführt, der wahrscheinlich in München ausgebildet wurde. Alfred Theimer brachte in die Gestaltung von Getreidespeichern in den böhmischen Ländern die Morphologie der deutschen Reformarchitekturein. Er arbeitete langfristig mit der Brünner Zentrale der Gemeinschaft der deutschen Landwirtschaftsverbände zusammen. Für die Genossenschaft in Iglau entwarf er bereits 1925 ein Lagerhaus in Dobronín sowie ein ähnliches für die Schlesische Wirtschaftsgenossenschaft in Opava. Eine kleinere, vierstöckige Version des Iglauer Projekts wurde noch 1928 von Mitgliedern der Deutschen Lagerhausgenossenschaft für Uničov und Umgebung verwendet. Später, in den Jahren 1935–1936, schuf Alfréd Theimer eine Reihe von typisierten Getreidelagern, welche die Genossenschaften bereits als Aktionäre der Tschechoslowakischen Getreidegesellschaft bauten.

Das zweiundzwanzig Meter hohe Gebäude besteht aus einem dreiflügeligen, fünfstöckigen Stahlbetonskelett mit sechs Feldern, die Balkendecken aus Getreidedachböden tragen und durch mobile Holzdämme in einzelne Kammern unterteilt sind. Auf der Südseite ragt es in die Überdachung der Rampe am Anschlussgleis heraus. Der 12×24 Meter große Hallenraum des sechsten Stockwerkes besteht aus einem sieben Meter hohen sog. Lamellendachstuhls, einer damals wiederentdeckten Konstruktion aus kurzen, druckbelasteten Latten, die in die gebogene Oberfläche des Gewölbes verschraubt wurden. Sie wurde ab 1906 von Friedrich Zollinger (1880–1945), Baurat in Merseburg, Sachsen-Anhalt, für den städtischen Sozialbau entwickelt. Aber auch in Industrie- und Landwirtschaftsgebäuden wurde es häufig verwendet – am bekanntesten ist wohl die Scheune eines Bauernhauses in Garkau, Holstein, die der Architekt Hugo Häring 1924–1925 entwarf. In Iglau wurde sie von dem spezialisierten Prager Büro des Ingenieurs Viktor Zelinger, Inhaber des Zollinger-Patents für die Tschechoslowakei, entworfen und ausgeführt und kommt auch im östlichen Anbau mit Büros der Genossenschaft und Wohnungen für die Lagerleiter und Mitarbeiter zur Lagerbedienung – was allerdings aufgrund der fortgeschrittenen Mechanisierung nur ein drei Personen erforderte. Die ursprüngliche Einrichtung wurde von der Dresdner Niederlassung der Firma Mayer & Co. in Kalk bei Köln, einer Fabrik für Trieure und Lochbleche, entworfen und geliefert, wurde jedoch 1960 für ie Regionale Einkaufsgemeinschaft (Krajský výkupní podnik, n. p. Jihlava) weitgehend ersetzt. Das Gebäude ist jedoch völlig authentisch erhalten geblieben.

LB
Literatur und sonstige Quellen 

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