Zentralfriedhof

 
Die Ruhestätten der Einwohner von Iglau haben eine reiche Geschichte. Der älteste Friedhof befand sich in der Umgebung der Kirche St. Johannes der Täufer auf dem Jánský-Hügel noch in der Zeit der alten Stadt Iglau, einer kleinen Marktsiedlung aus dem letzten Drittel des 12. Jahrhunderts. Mit der Entdeckung von Silbererz um 1240 und der Gründung der neuen königlichen Stadt entsteht hinter der Kirche St. Jakobus des Älteren eine neue Grabstätte, die viele Jahrhunderte lang diente. Da die Kapazität des alten Friedhofs nicht ausreichte, entstand 1559 in der Vorstadt Špitálské předměstí ein neuer Friedhof mit der Dreifaltigkeitskirche,die 1572 eingeweiht wurde. Nach dem Dreißigjährigen Krieg musste die Kirche mit einem neuen Patronizium des Hl. Geisteserneut errichtet werden.

Mit der industriellen Expansion von Iglau in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und dem Anstieg der Einwohnerzahl wuchs der Bedarf an einer neuen Ruhestätte. Der Friedhof der Heilig-Geist-Kirchereichte nicht mehr aus, weder wegen der Kapazität noch der Hygiene. Die ersten Schritte zur Errichtung des heutigen Zentralfriedhofs wurden am 26. Februar 1869 unternommen. Die Stadtverwaltung kaufte damals Grundstücke auf dem ehemaligen Plotzar-Feld entlang der heutigen Straße Žižkova, die nach Pelhřimov führt. Laut Oldřich Meda erfolgte die Gründung selbst nicht ohne die Missbilligung der Eigentümer der Gräber auf dem Friedhof des Hl. Geistes, der aufgehoben werden sollte, und ohne Proteste der umliegenden Dorfbewohner, die von der Ankündigung der Stadtverwaltung betroffen waren, dass der neue Friedhof nur für Bestattungen von Einwohnern von Iglau genutzt werden sollte. Widerstand leisteten auch die Prämonstratenser und die Minoriten, denen es nicht behagte, dass der neue Friedhof der Stadt gehören sollte, im Gegensatz zum Friedhof der Heilig-Geist-Kirche,der Eigentum der Kirche war.

Der Stadtrat ernannte eine Kommission örtlicher Ärzte, die auf die hygienische Untauglichkeit des alten Friedhofs hinwiesen und feststellten, dass dessen Lehmboden es nicht zulässt, dass die körperlichen Überreste in den Boden nicht einsickern und nahe der Oberfläche verbleiben. Dieses Gutachten sowie die Errichtung eines neuen Friedhofs für die Dorfbewohner auf dem Kalvarienberg führten zu einer Einigung zwischen allen streitenden Parteien. Die Einweihung des neuen Friedhofs fand am 26. September 1869 statt. Die feierliche Prozession begann von der St.-Jakobus-Kirchezur Minoritenkirche der Mutter Gottes, wo sich zu den Gläubigen Minoritenväter anschlossen. Von dort begab sich die Prozession zum neuen Friedhof. Der Friedhof wurde von Pfarrer Köpl aus der Jakobus-Kirche und dem Guardian Neubauer eingeweiht.

Der Friedhof liegt auf einer rechteckigen Fläche. Die Auswahlkommission ernannte Eduard Rathausky und Alexander Theuner zu seinen Erbauern. Der letztgenannte lieferte einer Erwähnung in den Archivquellen zufolge am 22. April 1868 Pläne für den neuen Friedhof. Es ist daher möglich, dass gerade er auch das Eingangsgebäude entworfen hat, aber uns fehlen Bauunterlagen, um diese Hypothese zu bestätigen. Das Eingangsgebäude ist erdgeschossig im neoromanischen Stil erbaut und verfügt über einen zentral platzierten Risalit, der sich bis zum ersten Stockwerk erstreckt. Zeitgenössischen Fotos zufolge war das Gebäude ursprünglich unverputzt. Sein Sichtmauerwerk war an den Gebäudeecken mit markanten Stuckbossen versehen, unter dem Gesims war es mit einem Rundbogenfries verziert und die Fläche der Fassade wurde durch massive, horizontal gerillte Lisenen gegliedert. Das heutige Erscheinungsbild des Gebäudes respektiert die ursprünglichen architektonischen Elemente. Das Dach des Gebäudes ist ein Satteldach mit acht halbbögigen Dachgauben. Die lateinische Inschrift an der Fassade, die übersetzt lautet „In Christus sind sie gestorben, durch Christus werden sie freudig auferstehen“, wurde von einem Mitglied des Stadtrats und bedeutendem tschechischen Erweckungsprediger MUDr. Leopold Fritz formuliert.

Hinter dem Eingangsgebäude steht die Christi-Himmelfahrt-Kapelle. Über ihre Autorenschaft herrschen Unklarheiten. Früher figurierte der Name von August Prokop in diesem Zusammenhang, heute wird in vielen Werken Richard Völkel als Autor genannt. Laut der Inschrift am unteren Rand stammen die Pläne der Kapelle im Archiv vom März 1893 und wurden von keinem der genannten Architekten unterzeichnet.

Die Arbeiten an der Kapelle begannen mit dem feierlichen Aushub im Herbst 1892, der Bau erfolgte in den Jahren 1893–1894. Die Kapelle wurde am 28. Oktober 1894 vom Pfarrer der Jakobus-Kirche Nepomuk Králík eingeweiht. Es handelt sich um ein einschiffiges Bauwerk mit einem versetzten Chor. Die Seitenfassade wird durch einen Steinsockel, feines Mauerwerk und abgestufte Säulen mit Steinabschlüssen gegliedert. Die spitzen Fenster sind mit Maßwerkformen versehen. Der Turm der Kapelle wird von einem Walmdach mit einer Mohnblume und einem Kreuz gekrönt. Der Innenraum mit Kreuzgewölbe ist mit dekorativen Gemälden im Jugendstil des akademischen Malers Christian Petersen verziert.

Der Raum hinter der Kapelle ist mit einer regelmäßigen Reihe von Gräbern gesäumt. Durch seine Mitte führt ein Sandweg zu einem Platz, der die Form eines Rondells hat. Im Jahr 1927 wurde hier ein Granitdenkmal für die Gefallenen von Iglau im Ersten Weltkrieg errichtet. Auf seiner Spitze ruhte die Büste eines Soldaten mit österreichisch-ungarischem Helm des Bildhauers Karel Křikawa. Das Denkmal wurde 1945 entfernt und 1993 durch ein Denkmal für zivile Opfer des Zweiten Weltkriegs ersetzt.

Im Jahr 1927 wurde der Friedhof um den jüngeren westlichen Teil mit einer Grabstätte für die im Ersten Weltkrieg gefallenen österreichisch-ungarischen Soldaten erweitert. Insgesamt 263 kleine, einfache Grabsteine sind in mehreren konzentrischen Kreisen um den zentralen steinernen Grabhügel verteilt. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich die Grabstätte von 409 Rotarmisten, die in der Region Iglau gefallen sind. Das verbindende Element wurden massive Steinplatten mit Gräbern und dem zentralen Denkmal, das am 23. April 1946 enthüllt wurde. In den 90-er Jahren des 20. Jahrhunderts kam eine Grabstätte für deutsche Gefallene im Zweiten Weltkrieg hinzu, eine parkähnliche Anlage mit Steinkreuzen und einem einfachen Holzkreuz und einer rechteckigen Gedenktafel in der Mitte. Am 15. im September 2012 wurden in ein Gemeinschaftsgrab im südlichen Teil des Friedhofs die sterblichen Überreste der 1945 in der Umgebung der Gemeinde Dobronín ermordeten tschechischen Deutschen umgebettet, die sich ursprünglich in einem nicht gekennzeichneten Massengrab in der Nähe dieser Gemeinde befanden.

Was die Grabsteine betrifft, so ist der wertvollste Teil der westlichen Umfassungsmauer mit ihren detailliert in Stein gehauenen Grabsteinen im Stil der Neugotik, der Neorenaissance und des Neoklassizismus. Ädikula und Nischen sind hier mit Sandstein- und Marmorskulpturen von Kreuzen, alten Göttern, Genies oder Engeln ausgefüllt. An der Gestaltung der Grabarchitektur des Friedhofs waren eine Reihe von Steinmetzfirmen, darunter Adolf Loos Sr., Johann Eduard Tomola oder Konrad Weigner beteiligt. Die Grabkammer im Jugendstil für den Unternehmer Karl Löw aus Helenín und seine Frau wurde 1912 von dem berühmten britischen Architekten Charles F. A. Voysey entworfen. Der Bau wurde nach einem etwas geänderten Entwurf von Georg Felix Pfeifer ausgeführt. Auf dem Zentralfriedhof ruhen viele wichtige Vertreter der Stadt, der Bürgermeister Vinzenz Inderka, MUDr. Leopold Fritz, der erste tschechische Bürgermeister von Iglau JUDr. Rudolf Veverka und viele andere. Der Zentralfriedhof wird in der Gegenwart schrittweise erneuert. Die Firma Podzimek a synové hat bereits früher das Eingangsgebäude des Torhauses renoviert.

Der Zentralfriedhof von Iglau ist nicht nur ein Ort der Erinnerungen, sondern auch ein lebendiger Organismus, der sich durch den Einfluss der Menschen, die ihn gestalten, besuchen und pflegen, bevor sie selbst dort ruhen, ständig entwickelt und verändert. Das Bild jeder Gesellschaft wird unter anderem durch die Art und Weise geprägt, wie sie sich um ihre Verstorbenen kümmert. Mit der schrittweisen Renovierung des Friedhofs kehrt die Gesellschaft in Iglau zu ihren kulturellen Wurzeln zurück.

MS
Literatur und sonstige Quellen 

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